Filmplakat Tenet

7,5/10

"Unwissenheit ist unsere Munition." — Tenet, 2020

Tenet

Besprechung

Mitten in einem terroristischen Anschlag auf die Oper von Kiew läuft eine verdeckte Aktion des CIA. Diese Aktion geht mächtig in die Hose. Ein Agent wird festgesetzt und gefoltert. Er wacht auf und befindet sich bei einer geheimen Unterorganisation des amerikanischen Nachrichtendienstes. Sein Handeln hat ihn qualifiziert an einer neuen Operation teilzunehmen.

Bei der Aktion in Kiew sind seltsame Dinge geschehen. Diese werden von einer Wissenschaftlerin (Clémence Poésy) erklärt. Der Agent, unser Protagonist (John David Washington), ist in einen temporalen Krieg geraten. Die Kugel, die der Protagonist in Kiew nicht hat einschlagen gesehen, sondern aus dem Holz austreten – ist das Ergebnis einer sogenannten invertierten Waffe. Diese Waffen stammen aus der Zukunft und diese Zukunft will die Menschen auslöschen.

Der Protagonist verfolgt eine Spur nach Mumbai, wo er zunächst seinen Verbindungsmann Neil (Robert Pattinson) trifft. Mit dessen Hilfe gelangt der Protagonist an die Waffen­händlerin Priya (Dimple Kapadia). Die gibt ihm den Hinweis, dass er Kontakt mit dem anglo-russischen Waffenschieber Sator (Kenneth Branagh) aufnehmen soll. Doch um an den heranzukommen, müssen der Protagonist und Neil den Umweg über Sators Frau Kat (Elizabeth Debicki) nehmen. Die Zeit ist gegen den Protagonisten.

Meinung von

Über ein halbes Jahr kein Kino wegen Corona. Dann nach der Abstinenz gleich so einen Kracher. Mann, das war wie mit Anlauf und Gebrüll zurück in den Kinosessel und los ging der Brain-Fuck. So ungefähr war das, als ich Tenet im UCI Mundsburg sah. Der Film, um den ein riesiges Geheimnis gemacht wurde, ist der erste Blockbuster, der nach – okay, eigentlich noch während – Corona in die Kinos kam. Christopher Nolan hat sich hingesetzt und die Geschichte dazu geschrieben. Wie auch bei seinem Film Interstellar hat er sich bei dem Wissenschaftsteil Hilfe von Physiker Kip Thorne geholt.

Was ist Tenet also — vom Brain-Fuck abgesehen? Der Film ist eine Mischung aus Science Fiction und Agententhriller. Nolan, selber angeblich ein großer Fan von James Bond-Filmen, wollte das Gefühl einfangen, dass man beim Schauen von Bond-Streifen hat. Gute, alte Spionage. Nur dass Nolan nicht Amis gegen Russen antreten lässt oder ein ähnliches Cliché bedient. Nein, Nolan muss gleich einen kalten, temporalen Krieg anzetteln. Weil er es kann.

Temporaler Krieg? Das erinnert spontan an die Fernsehserie Enterprise (4. Staffel), in der es auch einen Temporalen Kalten Krieg gab. Zeitreisen sind immer ein riskantes Unternehmen. Nicht in Wirklichkeit, sondern aus erzählerischer Sicht. Wenn man zum Beispiel einen Film wie Timecrimes anschaut, dann wird klar, dass jeder Sprung zurück in der Zeit unweigerlich eine Figur auf sich selbst stoßen lässt. Das haben wir auch bei 12 Monkeys oder der Zurück in die Zukunft-Reihe gesehen. Tenet geht das Thema Zeitreise komplett anderes an.

In diesem Film gibt es die uns bekannte, lineare Zeit. Sie schreitet in eine Richtung voran. Gleichzeitig gibt es in der Zukunft die Möglichkeit, zurückzureisen. Dabei können die beiden Zeitlinien auch aneinander vorbeischrammen. Es ist nicht schlimm, wenn sich das Gegenwarts- und das Zukunfts-Ich begegnen. Sie sollten sich bloß nicht berühren, denn dann geht die gesamte Physik in den Arsch und wir sind eben dort: am Arsch. Das ist übrigens auch das Ziel der Menschen aus der Zukunft: die Auslöschung der Menschen. Aber ... wenn in der Gegenwart die Menschen nicht mehr existieren, wie können dann die Menschen aus der Zukunft ...? Ach, Ihr wisst schon, was ich meine: Gehirnknoten!

Wer sich nach dem Kinobesuch denkt Verdammt, ich bin zu blöd, um diesen Film zu kapieren, der wird wohl nicht alleine mit diesem Gefühl sein. Die Geschichte ist echt wirr und irgendwann versucht man sich als Zuschauer lieber auf den Spionage-Teil zu konzentrieren.

In bester Bond-Manier reist unser namenloser Protagonist auch in der Welt herum. Kiew, London, Oslo, Estland, Vietnam und irgendwo in Russland sind die (angeblichen) Schauplätze, die der Protagonist besucht. Da kommt wahrlich Bond-Flair auf. Mit Kenneth Branagh hat man einen schaurigen, mächtigen Gegner für den Helden gefunden. Branagh füllt diese Rolle vollkommen aus. Er ist ein skrupelloser Waffenschieber, der ein sehr ambitioniertes Ziel hat und alles und jeden kontrollieren muss. Die Guten, also der Protagonist, Neil und auch Kat sind ebenfalls bestens besetzt. Wer sich fragt, woher er den Schauspieler des Protagonisten kennt: das ist Denzel Washingtons Sohn John David, den wir aus Spike Lees BlacKkKlansman kennen.

Es wäre kein Spionage- oder Actionfilm, wenn es nicht wilde Verfolgungsszenen gäbe. Das, was wir hier sehen ist eine Verfolgungsszene "aus zwei temporalen Richtungen kommend". Ja. Viel Spaß damit! Es wäre übrigens kein echter Nolan-Streifen, wenn nicht alles irgendwie groß wäre. Nur Nolan, fiel mir beim Anschauen ein, würde eine 747 wirklich über einen Parkplatz in einen Hangar fahren. Andere Regisseure hätten Miniaturen oder Computeranimationen benutzt. Nicht Nolan. No, Sir.

Was den zweieinhalb Stunden dauernden Film auch auszeichnet ist die sehr ungewöhnliche Musik des Schweden Ludwig Göransson. Hans Zimmer stand nicht zur Verfügung, soll aber Göransson vorgeschlagen haben. Der war übrigens auch für die Musik bei Black Panther verantwortlich. Dort ist die musikalische Untermalung jedoch weniger ... massiv. Und irgendwie war sie auch laut. Das kann jedoch am Kino gelegen haben.

Zusammengefasst: Tenet – übrigens ein Palindrom, das man vor- und rückwärts lesen kann, so wie die Zeit in dem Film läuft – ist mal wieder ein echt ungewöhnlicher Streifen. Das Thema der "Rückreise in Echtzeit" soll nicht neu gewesen sein, das soll bereits in Primer verwendet worden sein. Der Film ist elegant und cool. Der Raub auf der Autobahn ist wahnsinnig gut gemacht. Die Figuren sind alle rund gezeichnet. Man muss nur ein paar Gehirnknoten hinnehmen. Ich freue mich auf hoffentlich ein gutes (!) Making-of, wenn die BluRay erscheint. Es gibt mittlerweile viel zu viele lieblose Making-ofs ... Tenet ist auf alle Fälle ein Film, den man mehrfach sehen muss. Ein "So haben wir es gemacht" sowie ein "So haben wir uns das gedacht" würde echt helfen.

Während des Kinogangs dachte ich noch, da müssten doch irgendwo wissenschaftliche Fehler drin stecken. Tenet ist ein Science Fiction-Film und keine Dokumentation. Nolan hat sich gut beraten lassen, unterm Strich ist das Produkt aber immer noch ein Unterhaltungsfilm.