Besprechung
1980 öffnete Fidel Castro einen Hafen auf Kuba. Ziel sollte sein, dass kubanische und amerikanische Familien wiedervereint werden. 125.000 Menschen flohen in die Staaten, 25.000 waren Abschaum aus den kubanischen Gefängnissen. Das war ganz im Sinne Castros. Einer dieser Ex-Knastis ist Tony Montana (Al Pacino). Tony wird zusammen mit seinem Kumpel Manny Ribera (Steven Bauer) in ein Auffanglager gesteckt. Tony erweist jemandem von außen einen Gefallen, indem er jemanden umbringt. Damit hat Tony keine Probleme. Tony und Manny kommen raus und gehen nach Miami.
Hier bekommen die beiden Exil-Kubaner nach einigem Warten einen Job, der Tony ganz nach oben bringen soll. Omar (F. Murray Abraham) fädelt einen Job ein, bei dem Tony und Manny zwei Kilo Koks von Kolumbianern holen sollen. Die Aktion geht voll in die Hose – doch Tony geht siegreich daraus hervor. Er liefert seinem Auftraggeber Frank Lopez (Robert Loggia) nicht nur das Koks, sondern auch das Geld. Frank nimmt Lopez in seinen engeren Kreis auf.
Als Omar und Tony nach Bolivien reisen, um mit Alejandro Sosa (Paul Shenar) einen Deal zu machen, reißt der hitzige Tony das Ruder an sich. Er macht einen Wahnsinnsdeal mit Sosa. So wahnsinnig, dass Frank und Tony sich darüber zerstreiten. Tony macht ab sofort sein eigenes Ding. Manny wird sein Leibwächter. Tony kommt, wie er es geplant hatte, nach ganz oben.
Meinung von Nils
Alle kennen Scarface. Alle preisen Al Pacino für seine Darstellung als Krimineller, der von ganz unten nach ganz oben kommt – um dann abzustürzen. Wer weiß schon, dass Scarface 1932 unter dem deutschen Namen Narbengesicht bereits verfilmt wurde? Der Tony aus den 30ern war Italiener und stieg während der Prohibition in Chicagos Mobsterreihen auf. Das Thema Prohibition stellte die Schreiber des Reboots vor arge Herausforderungen. Die Geschichte sollte nicht in der Zeit spielen.
Brian De Palma, der von Anfang an an dem Projekt mitarbeitete, stieg aus. Man fand Oliver Stone als Drehbuchautor. Der war jedoch zunächst nicht interessiert und das obwohl er dringend Geld brauchte. Erst als es hieß, dass Sidney Lumet (Die zwölf Geschworenen, Hundstage, Network) Regie führen sollte, übernahm Stone den Job. Stone holte die Geschichte kurzerhand in die Gegenwart. Als dann wiederum das Drehbuch weit vorangeschritten war, stieg Lumet aus. Man brauchte einen neuen Regisseur. Irgendwann kam dann Brian De Palma erneut ins Spiel und an Bord.
Pacino lernte extra einen kubanischen Akzent, wobei ihm auch Steven Bauer half. Der war einzige von den Hauptpersonen, der tatsächlich aus Kuba stammte. Pacinos Tony ist selbstsicher, rotzig und es schlummert eine Bestie in ihm. Die Grenzen sind schnell gesteckt. Schon beim Verhör durch die Einwanderungsbehörde ist er nicht gerade auf den Mund gefallen und man weiß, dass er einen Plan hat. Sein Plan: Reich werden. Für ihn ist der Handel mit Drogen nur ein Job. Und er macht alles, was der Job von ihm verlangt – und sei es auch Mord.
Tony Montana ist wahrlich kein angenehmer Zeitgenosse. Er geht immer geradeaus, niemals nimmt er einen Umweg. Die Freundin von Frank, die schöne und extrem kalte Elvira (Michelle Pfeiffer) hat es Frank vom ersten Moment an angetan. Er geht auch auf Elvira direkt zu, sagt ihr, dass er sie besitzen will. Elvira ist jedoch eine Frau, die sich nur zu starken Männern mit Geld hingezogen fühlt. Das mit dem Geld muss Tony erst noch hinbekommen.
Brian De Palma hatte eine Schnittfassung von dem Film der MPAA vorgelegt. Die fanden den Film zu grausam. Es folgte eine Wiedervorlage mit einer weiteren Schnittfassung. Auch die wurde abgelehnt. Also ging De Palma ein drittes Mal daher und schnitt Szenen heraus. Eine dritte Absage sollte folgen. Deshalb schnappten sich De Palma und Produzent Martin Bergman einen Haufen von Leuten vor das Komitee. Darunter war auch ein Drogenfahnder. Der lobte Scarface als Antidrogen-Film. Also bekam der Film grünes Licht und eine Alterseinstufung von "ab 16" – die Alternative war "ab 18", was weniger Kinogänger bedeutet hätte. De Palma war froh, brachte dann aber doch die "ab 18"-Version ins Kino, weil er davon ausging, dass keiner der Filmbosse den Unterschied mitbekäme.
Die empfohlene Alterseinstufung rührt daher, weil der Film durchaus gewalttätig ist. Der hohe Bodycount ist da noch nicht einmal das Schlimmste. Ich sage nur: Kettensäge. Außerdem flucht Tony extrem viel. Damals war Scarface der Film mit den meisten Fuck-Ausrufen.
Al Pacino spielt gut, er soll selber gesagt haben, dass Tony Montana seine liebste Filmrolle gewesen sei. Ich bleibe allerdings dabei, dass sein Schauspiel in Der Pate besser ist. Pacino und de Niro haben nie besser gespielt als in Der Pate, bzw. Der Pate - Teil II.
Brian De Palma hat ein gutes Bild gezeichnet von einem Mann, der hoch hinaus will. Als der Mann dann oben angekommen ist, fällt er auch tief. Er kokst seinen eigenen Stoff in rauen Mengen, hat nur noch Verachtung für seine Frau übrig und er entwickelt eine wahnsinnige Paranoia. Davon abgesehen ist er auch immer gewalttätig. Aus ihm bricht ein Tier hervor, wenn es um seine Schwester Gina (Mary Elizabeth Mastrantonio) geht.
Der Film ist nicht schlecht, ich finde ihn aber nicht so gut, wie viele Andere da draußen. Ein Punkt, der mich übrigens extrem stört, das ist die Musik von Giorgio Moroder. Der schuf einen Soundtrack, der nur in den 80er funktioniert hat. Schaut man sich Scarface heute an, ist Moroders Musik ein absoluter Störfaktor. Ein gutes Orchester hätte dem Film besser getan.
F. Murray Abraham, der gar nicht mal eine so große Rolle hat, erfuhr beim Drehen von Scarface, dass er eine Hauptrolle in Amadeus hat ergattern können. Gefühlt hatte sich wohl jeder beworben gehabt. Als er nun die Rolle inne hatte, wusste Abraham zu berichten, wurde er plötzlich von allen Kollegen hoch geachtet und anders behandelt.