Filmplakat Knives Out

8/10

"Ein Loch im Donut im Loch im Donut ..." — Knives Out, 2019

Knives Out

Besprechung

Großvater und Star-Krimiautor Harlan Thrombey (Christopher Plummer) ist 85-jährig an seinem Geburtstag verstorben. Seine Pflegerin Marta (Ana de Armas) hat ihn eines Morgens mit aufgeschlitzter Kehle vorgefunden. Eine Woche ist vorbei und Harlan unter der Erde. Nun findet sich die Familie im großen Anwesen zusammen. Da sind die „Selfmade“-Tochter Linda (Jamie Lee Curtis) und ihr Mann Richard Drysdale (Don Johnson). Der Sohn Walt (Michael Shannon) verwaltet den väterlichen Verlag. Walts Frau Donna (Riki Lindhome) ist ebenso anwesend wie auch der kleine Nazi-Spacken von Sohn, Jacob (Jaeden Martell), der nie von seinem Mobiltelefon aufschaut. Abgerundet wird die illustre Familienbande durch die angeheiratete und esoterisch angehauchte Joni (Toni Collette) samt Töchterchen Meg (Katherine Langford). Es fehlt das schwarze Schaf der Familie, Lindas Sohn Ransom Drysdale (Chris Evans).

Kann es nun mit dem Drama losgehen? Nope. Auftritt der befragenden Polizei in Form von Lieutenant Elliott (LaKeith Stanfield) und Trooper Wagner (Noah Segan). Die holen ein Familienmitglied nach dem anderen herein zum Verhör. So ganz sicher ist man sich noch nicht, ob es nicht doch Mord war. Im Hintergrund, nur als stummer Beobachter: der letzte Gentleman-Detektiv, den es noch gibt: Benoit Blanc (Daniel Craig).

Für die Polizisten scheint sich der Fall allmählich zu klären, aber Blanc stellt bessere Fragen. Dass in der Familie Thrombey irgendwie jeder zu lügen scheint, wird sehr schnell klar. Auch, dass der Großteil der Anwesenden ein Motiv gehabt hätte, den alten Harlan ins Messer laufen zu lassen.

Meinung von

Wer hier fleißig mitliest, weiß, was ich von Regisseur und Autor Rian Johnson halte. Bis auf den schnarchigen Star Wars: Die letzten Jedi hat der Kerl genau solche Sachen fabriziert, die das kleine Nils-Herz höher schlagen lassen. Da sind der wunderbare Neo-Teenie-Film-Noir Brick, mit dem er sich in mein Cineasten-Herzelein geschummelt hat. Der romantisch verrückte Heist-Movie Brothers Bloom, der entfernt an Knives Out herankommt. Dann Genre-Wechsel Looper. Viel hat Johnson noch nicht gemacht, zum Großteil sind das aber alles super Filme.

Womit haben wir es nun hier zu tun? Knives Out ist eine Art Agatha Christies Monsieur Poirot, nur in modern, witziger und vor allem weniger brav. Der Film ist ruhig und doch rasant wild. Ich bin mit Filmen wie Mord im Orient-Express oder Tod auf dem Nil (mit dem unvergesslichen Peter Ustinov) groß geworden. Die sind gut. Knives Out greift das Sujet des brillanten Privatdetektivs, der Horde Verdächtiger auf engem Raum und dem Spiel der Identifizierung des Mörders auf, ist aber – wer hätte es gedacht – zeitgemäß. Dazu später mehr.

Wie die alten Schinken, fährt Rian Johnson in seinem Knives Out eine Schubkarre voll mit Stars auf. Scream-Queen Jamie Lee Curtis spielt eine dominante, ihren Mann beherrschende Patronin. Don Johnson ist der Ehemann, der mit einem Ehevertrag angeben musste, dass er nie ans Geld der Thrombeys rankommen wird. Michael Shannon, der schon mit seinem General Zod in Man of Steel bewiesen hat, dass er die Bösen wahnsinnig gut darstellen kann, spielt den vom Vater klein gehaltenen Sohn. Walt durfte nie frei entscheiden, nur verwalten. Shannon setzt seinen Gehstock – und natürlich auch Johnson – sehr wirkungsvoll und bedrohlich ein.

Der große Christopher Plummer stirbt gleich am Anfang. Dachte man noch, dass das doch eine wahnsinnige Verschwendung von Talent sei – sollte man sich irren. In vielen Rückblenden lernen wir, was an dem Geburtstag, dem letzten Lebenstag von Harlan Thrombey passiert ist. Die Befragten sagen das Eine, die Rückblende sagt etwas Anderes. Das ist schon spaßig, aber auch noch recht traditionell.

Wir lernen ebenfalls relativ früh, wie Harlan tatsächlich gestorben ist. Das ist nicht das, woran man im ersten Moment denken würde. Rian Johnson hat seine Geschichte auf ein höheres Level als Agatha Christie gehoben. Sein Benoit Blanc, übrigens fabelhaft von Daniel Craig gespielt – leicht verschroben, nicht zu viel, nicht albern, genial – wurde von einer unbekannten Person angeheuert, den Mordfall Harlan Thrombey aufzuklären. Er weiß nicht, wer ihm den Auftrag zugeschanzt hat und wir erst recht nicht. Interessanterweise geht diese Frage schnell unter, weil Johnson aufdeckt, was wirklich passiert ist und in dem Film fortan zwei Mächte gegeneinander wirken: Blanc, der den Fall aufklären will und die Person, die vertuschen will, was sie getan hat. Dabei kommt eine angenehme, schleichende Spannung auf. Wir fiebern mit Blancs "Gegner" mit.

Und kaum denkt man, der Fall sei gelöst, holt Johnson die Frage nach dem "Wer hat Blanc noch einmal angeheuert und warum?" auf den Tisch. Die Lösung ist überraschend und wird zielsicher sowie schnell erzählt.

Knives Out ist ein wunderbarer, ein altmodischer Film. Die Szenerie mit den vielen Verdächtigen ist bekannt, der schlaue Detektiv ebenso und sein Bemühen den Mord aufzudecken. Es ist dann dieser gewisse Johnson-Extra-Kick, der den Film so spannend und fesselnd macht. Es gibt nur gut dargestellte Figuren. Bei der großen Anzahl fällt der eine oder andere Charakter hinten etwas herunter, Rian Johnson gibt jedoch jedem genug Zeit, um am Ende "echte Figuren" zu haben. Sein Twist am Ende war ein großes "Ahhh!" im Kino. Das kann ich verraten. Mehr aber nicht.

Oben angedeutet: Knives Out wird immer als Film dieser Ära identifizierbar sein. Johnson hat sich einen kleinen, feinen politischen Seitenhieb gegönnt. Der nimmt nicht viel Raum ein, keine Angst. Aber er ist deutlich. Die Anwesenden streiten sich in einer der vielen Rückblenden über die "Politik" von Trump. Da wird nebenbei über die Trennung von Kleinkindern von ihren Eltern mit anschließender Inhaftierung (von Kleinkindern!) unter einer rechten, ausländerfeindlichen, menschenverachtenden Regierung eines Trump geredet. Nur ganz kurz, aber das Ding sitzt und kritisiert völlig zu Recht dieses unmögliche Verhalten. – Von dort geht es dann aber gleich wieder zur Geschichte herüber, wenn die Pflegerin Marta auf einmal instrumentalisiert werden soll.

Craig ist lustig, Plummer charmant, Shannon bedrohlich, Armas bezaubernd. Als komische Elemente sind da noch der Thrombey-Fan-Boy Trooper Wagner und die alterslose Urgroßmutter (K Callan). Herrlich!

Solche Filme will ich sehen. (Anscheinend ist sogar schon ein weiterer Fall für Blanc geplant ...)