Filmplakat Frau ohne Gewissen

8/10

"Wie sollte ich ahnen, dass Mord zuweilen wie Jasmin duftet?" — Frau ohne Gewissen, 1944

Frau ohne Gewissen

Besprechung

Der Versicherungsagent Walter Neff (Fred MacMurray) ist auf dem Weg in einen Vorort von Los Angeles, wo er Mr. Dietrichson (Tom Powers) die Verlängerung einer Autopolice aufschwatzen will. Anstatt des Mannes, findet Walter Phyllis Dietrichson (Barbara Stanwyck) vor. Schnell wird das Geplaudere stark sexuell. Beim Wortspiel zwischen den beiden fragt Phyllis, ob es auch möglich sei, für jemanden eine Unfallversicherung abzuschließen, ohne dass diese Person davon weiß. Walter riecht den Braten. Er kapiert schnell, dass Phyllis ihren Mann los werden will. Da spielt er nicht mit.

Kurze Zeit darauf steht er wieder bei Phyllis auf der Türschwelle. Er kann dieser Frau nicht widerstehen. Sie wickelt Walter gekonnt um ihren Finger. Das geht soweit, dass er Mrs. Dietrichson sogar den Tipp gibt, wie man die doppelte Versicherungssumme kassieren kann. Gemeinsam planen sie den Mord von Mr. Dietrichson.

Nicht nur, dass es falsch ist einen Menschen umzubringen. Es ist auch nicht ungefährlich. Mr. Dietrichs Tochter Lola (Jean Heather) aus der ersten Ehe, könnte das Vorhaben gefährden. Weitaus schlimmer ist jedoch Walters Kollege Barton Keyes (Edward G. Robinson). Der ist der härteste Schnüffler in der Versicherungsbranche. Er wittert einen Betrug auf 30 Meilen gegen den Wind. Walter hat vor allem Angst davor, von Keyes entdeckt zu werden.

Meinung von

Die Spur des Falken wird gerne als der erste Film noir bezeichnet. Frau ohne Gewissen wird wiederum gerne als der Film noir schlechthin tituliert. Er hat alles, was ein guter Film noir benötigt: Einen verzweifelten Helden, der kein Held ist. Eine Femme fatale, die der Hauptfigur das Verderben bringt. Dunkle Schatten. Und schließlich noch "die Stimme aus dem Off".

Wir sehen Walter am Anfang des Films, wie er mit einem Affenzahn durch die Straßen fährt, hin zum Büro. Hier nimmt er ein Aufzeichnungsgerät und spricht für seinen Kollegen Keyes, was sich im Leben von Walter seit den letzten Tagen im Mai getan hat. Er beschreibt aus dem "Off" – Gibt es dafür eigentlich ein deutsches Wort? Hintergrund? – den Fall der Phyllis Dietrichson. Dieser Frau, die ihn vom ersten Moment an in seinen Bann gezogen hat. Schaut man den Film heute, ist das Kennenlernen der beiden Figuren ... sagen wir mal, solche anzüglichen und sexistischen Sprüche würde es wohl nur in Schmuddelfilmen geben.

Barbara Stanwyck erhielt für ihre Darstellung der kaltherzigen, intriganten Ehefrau eine Oscar-Nominierung. Leinwandstieftochter Lola kommt später zu Walter und schwärzt ihre Stiefmutter an. Sie weiß zu berichten, dass Phyllis schon vor dem Tod ihres Vaters im heimischen Schlafzimmer einen Hut mit Trauerflor anprobierte. Und tatsächlich, als der Mord an Mr. Dietrichson passiert, direkt neben Phyllis, hat Barabara Stanwyck einen Blick drauf, der jeder Eiszeit das Wasser reichen kann.

Fred MacMurrays Walter ist der nette Junggeselle, der mit seinem Charme und seiner Redegewandtheit wohl jeder Person jegliche Versicherung andrehen kann. Er ist aber auch ein schwacher Mann. Ein Blick auf Mrs. Dietrichson und er ist verloren. Das nennt man einer Frau verfallen, wie es im Lehrbuch steht. Er weiß, dass Phyllis einen Mord begehen will, um an Geld zu kommen. Er weiß, dass das nicht richtig ist. Und dennoch kann er nicht anders, als ihr Komplize zu werden. Die beiden Partner gehen Risiko um Risiko ein, wissen aber stets einen Weg darum herum.

Edward G. Robinson, der sich mit Little Caesar als zielstrebiger, brutaler Gangster in die Filmgeschichte eingeschrieben hat, spielt in Frau ohne Gewissen eine vollkommen andere Rolle. Hier ist er freundlich, witzig und hat ein gutes Herz. Er ist der Gute im Film. Er hat seine Zahlen und Statistiken – und seinen "kleinen Mann im Bauch". Keyes ist im Grunde ein genialer Detektiv, der neben Intuition vor allem Zahlen heranzieht um einen Fall zu lösen.

Regisseur Billy Wilder, den ich vorher nur als Schöpfer lustiger Filme (Sabrina, Manchen mögen's heiß) kannte, hatte vor Frau ohne Gewissen bereits einige Jahre als Autor in Hollywood hinter sich. Als Direktor war er noch nicht lange tätig. Der Film basiert auf dem Roman von James M. Cain. Eigentlich wollte man dessen Roman "The Postman Always Rings Twice" verfilmen. Das war Paramount jedoch zu heikel. Erst zwei Jahre später, nach dem riesigen Erfolg von Frau ohne Gewissen, wurde dieser Roman dann doch verfilmt (Im Netz der Leidenschaft).

Wilder nahm nicht nur auf dem Regie-Stuhl platz, er schrieb auch das Drehbuch. Allerdings nicht alleine, sondern als Co-Autor. Man fand Autor Raymond Chandler, der unter anderem die Vorlage zu Tote schlafen fest schrieb. Der lieferte nach wenigen Tagen ein fertiges Drehbuch ab. Das hat Wilder in den Mülleimer geworfen und so haben beide zusammen am Drehbuch gearbeitet – und sich dabei gegenseitig gehasst. Die Zusammenarbeit soll sehr schwierig gewesen sein. Das Ergebnis ist jedoch großartig geworden.

Frau ohne Gewissen ist wahrlich ein prächtiges Exemplar des Film noir-Genre. Die Geschichte ist dicht erzählt und Stanwyck erhielt nicht ohne Grund die Oscar-Nominierung. Insgesamt sieben Nominierungen erhielt der Film. Nach diesem Film ploppten plötzlich immer mehr Filme auf, in denen die Hauptfigur die Geschichte aus dem Off erzählt.