Filmplakat Schloss des Schreckens

7/10

"Manchmal will ich wehtun." — Schloss des Schreckens, 1961

Schloss des Schreckens

Besprechung

Es klingt wie ein Traumjob. Die Pfarrerstochter und Gouvernante Miss Giddens (Deborah Kerr) bekommt von einem reichen, britischen Gentleman (Michael Redgrave) das Angebot, auf seine zwei Mündel aufzupassen. Er hat viel zu viel zu tun und kann eh nicht mit Kindern umgehen. Es gibt nur die Bedingung, dass Miss Giddens die volle Verantwortung für die Erziehung der beiden Waisen übernimmt. Er bezahlt, will aber von den Kindern nichts wissen.

Miss Giddens sagt zu und fährt aufs Land. Auf dem riesigen Langsitz Bly angekommen, begegnet sie zuerst der jungen Flora (Pamela Franklin), die sich sehr über die neue Gouvernante freut. Flora wirkt oft abwesend und summt eine seltsame Melodie. Der ältere Bruder Miles (Martin Stephens), kommt auch schon bald auf den Landsitz, da er des Internats verwiesen wurde.

So gerne Miss Giddens die beiden Kinder auch hat, irgendwas scheint mit ihnen nicht zu stimmen. Das Kindermädchen fängt schließlich an, Geister zu sehen. Einmal handelt es sich um den ehemaligen Diener Peter Quint (Peter Wyngard) und zum anderen um Miss Giddens‘ Vorgängerin Miss Jessel (Clytie Jessop). Miss Giddens vermutet, dass die Kinder die Geister auch sehen, die streiten es jedoch ab. Von der Haushälterin Mrs. Grose (Megs Jenkins) erfährt Miss Giddens, dass die Kinder eine sehr enge Beziehung zu den Verstorbenen hatten.

Meinung von

Die Vorlage zu diesem Film war eine Novelle aus der Feder von Henry James und erschien erstmals 1898. Der Film spielt etwa 30 Jahre früher. Später wurde die Geschichte auf die Bühne gebracht. Das Drehbuch stammt von William Archibald mit einer Überarbeitung von Truman Capote.

Bevor man sich den Film anschaut, ein Wort zum Genre. Es handelt sich bei bei Schloss des Schreckens um eine klassische Geister-Geschichte. Das war mir eingangs nicht bewusst. Aber Miss Giddens sieht, wie oben beschrieben, Geister. Da sie die Personen nicht kennen kann, kann das auch wenig mit Einbildung zu tun haben. Diese Geister sind wirklich da. Lange bleibt Miss Giddens unwissend, da Mrs. Grose sich vehement dagegen wehrt, über die Vergangenheit zu sprechen. Da wittert der Zuschauer doch ein großes Geheimnis. Und ja, groß ist es. Die Enthüllung schockierend.

Zunächst einmal muss der Zuschauer jedoch durch die eine oder andere schaurig aufgestellte Szene durch. Der Film hat eine sehr interessante Intensität. Deborah Kerr (Verdammt in alle Ewigkeit, Der König und Ich) erzeugt diese Intensität dadurch, dass sie in einigen Szenen nie blinzelt. Sie starrt mit leicht aufgerissenen Augen in den Raum. Dabei unterhält sie sich vor allem mit Mrs. Grose. Ebenfalls spannend gemacht ist die Kameraführung und das Setting. Kameramann Freddie Francis zeigt oft zwei Personen, eine ganz vorne, eine weiter hinten. Das sollte zu Unschärfen führen. Doch beide Protagonisten sind stets scharf und ohne das übliche, geteilte Bild, wo Unschärfen aufeinander treffen. Beeindruckend.

Es wäre keine Geistergeschichte in einem alten Schloss, wenn es nicht auch tiefe, tiefe Schatten, unheimliche Geräusche und stumme Geister gäbe. Als Extrazutat sind die beiden Kinderschauspieler zu nennen. Vor allem Pamela Franklin, die mit Schloss des Schreckens ihr Filmdebüt hatte, wirkt sehr unheimlich. Sie hat einen gruseligen Blick am Leibe, gepaart mit einem nicht dazu passenden Lächeln. Martin Stephens, der den Miles spielt, hat auch seine Gruselwirkung. Da ist sein Auftritt als König zu nennen, wo er eine für sein Alter völlig unpassende Rede hält. Oder die Szene, in der er "im Spiel" Miss Giddens würgt. Wenn dann Peter Quint – der ebenfalls unheimlich auf- und abtritt – sich Miles' bemächtigt und gen Ende seine Hasspredigt ablässt ... Oha.

Es sind weniger die Schreckmomente, die Schloss des Schreckens ausmachen. Eigentlich hat der Film kaum welche. Es ist das intensive Schauspiel der drei Hauptfiguren, das so beeindruckt und den Grusel ausmacht. Das wirkt auch über sechzig Jahre danach noch. Hut ab.

Die Produzenten waren – völlig berechtigt – besorgt wegen der unangenehmen Szene, wenn Miles sein Kindermädchen direkt auf den Mund küsst. Das ist Ausdruck der Besessenheit des Kindes durch den Geist des Sadisten Quint. Da wird jedem Zuschauer mulmig, weil sich das echt nicht gehört. Miss Giddens ist entsprechend entsetzt.

Regisseur Jack Clayton, der alles daran gesetzt hat, dass sein Film nicht in die selbe Schublade wie die damals beliebten Hammer-Filme (u.a. Frankensteins Fluch, Dracula) gesteckt wird, hat eine sehr stimmungsvolle, unheimliche Geistergeschichte auf die Leinwand gebracht. Deborah Kerr soll ihre Darstellung in diesem Film als ihre beste Arbeit beschrieben haben.