Besprechung
Anfang der 1960er kommt Robert Allen Zimmermann aus Minnesota nach New York. Im Handgepäck eine Gitarre und eine erfundene Biografie. Er nennt sich Bobby Dylan (Timothée Chalamet) und ist auf der Suche nach seinem Idol Woody Guthrie (Scoot McNairy). Guthrie ist mit der Huntington-Krankheit im Krankenhaus und kann nicht mehr reden. Als Bobby den Folksänger trifft, ist der immer optimistisch gestimmte Pete Seeger (Edward Norton) ebenfalls anwesend. Bobby singt ein Lied für Guthrie, als Pete sein Potenzial sieht.
Was nun folgt, ist die Anfangsgeschichte von Bob Dylan, der großen Hoffnung für die amerikanische Folkmusik. Zunächst tingelt er durch die Bars, Clubs und Kirchen von New York. Er ist angehalten, nicht sein eigenes Material zu singen. Nach einer Vorstellung lernt er Sylvie Russo (Elle Fanning) kennen. Die beiden werden ein Paar und Sylvie ist eine große Muse für Bob. Sie ist es auch, die Bob politisches und kritisches Denken nahebringt. Das soll sich später auch in seinen Texten widerspiegeln.
Bei einem Fest lernt er die bereits überaus bekannte Joan Baez (Monica Barbaro) kennen. Die beiden werden nicht nur auf der Bühne ein Paar. Etwas, wovon Sylvie nichts weiß. Sylvie weiß eh kaum etwas über Bob. Eines Tages bekommt er ein Paket an Zimmermann zugesandt, ein Bilderalbum von ihm. Sylvie konfrontiert Bob dazu, es kommt zum Streit. Bob, der mittlerweile seine eigenen Stücke spielen darf, auch wegen Baez, ist eine Berühmtheit. Überall erkennen ihn die Leute und wollen etwas von ihm. Dieser plötzliche Ruhm bekommt Bob gar nicht. Er wird introvertierter, trinkt und als er 1965 zum Newport Folk Festival kommt, lässt er eine Bombe platzen.
Meinung von Nils
Auch wenn die beiden Kolleginnen, mit denen ich unterwegs war, das behaupten: Bob Dylan war nicht "meine Zeit". So alt bin ich noch nicht. Dylans Musik ist mir bekannt, die "Klassiker" erkenne ich sofort und finde sie auch gut. Es hat noch nicht dazu gereicht, dass ich mir eine Platte von ihm gekauft habe. Aber den Film wollte ich schon sehen.
Regisseur James Mangold hat schon einen wilden Genre-Mix an Filmen geleitet. Ich denke, mit Cop Land hat er "damals" die Aufmerksamkeit auf sich gelenkt. Mit Todezug nach Yuma hat er einen spannenden, aber ruhigen Western gedreht. Mit Logan, dann den reifsten und besten Wolverine-Film abgeliefert. Seine ersten Berührungspunkte mit Musiker-Biografie hatte er jedoch mit dem Johnny Cash-Bio-Pic Walk the Line. Jetzt also ein Einblick ins Leben von Folkmusic-Star Bob Dylan.
Wir sehen nicht das gesamte Werk und Werden von Dylan, sondern seine Anfänge und seinen Wechsel von Folk hin zu Rock. Für jemanden, der zwar mit Dylans Werk vertraut, aber kein Hardcore-Fan ist, ist Like A Complete Unknown ein guter Einstieg in das Leben dieses bedeutenden Künstlers des 20. Jahrhunderts. Gleich vorweg gesagt: Weil ich nicht vertraut war mit Dylans Leben, habe ich diverse "Lücken" im Film nicht mit Wissen auffüllen können. Dadurch fehlt etwas, das ich mir erst nach dem Film angelesen habe.
Aus dem Film geht nicht hervor, dass Dylan, bevor er auf Guthrie traf, eigentlich eher dem Rock-Lager zuzuordnen gewesen war. Weiß man das, ist der spätere Wandel von Folk zu Rock gar nicht mehr so unverständlich.
Chalamet, der für seine Interpretation von Dylan eine Oscar-Nominierung hat einheimsen können, spielt den Musiker sehr gut. Erst ruhig, etwas schüchtern. Dann immer düsterer und unfreundlicher werdend. Ruhm verändert Menschen. Das wusste auch Suze Rotolo zu berichten. Rotolo ist die "echte Sylvie". Hier wurde für den Film eine Änderung vorgenommen. Russo/Rotolo hat(te) einen starken Einfluss auf Dylan, in den Jahren, in denen sie liiert waren. Das gesellschaftskritische Liedwerk wurde durch Russo inspiriert.
Auch wenn die Aussage stimmt und Dylan tatsächlich immer mehr zum Egozentriker geworden ist, eine Sache, die der Film ebenfalls nicht thematisiert: Dylan hatte ein Drogenproblem. Chalamet spielt den Musiker aber so, als stünde er unter Drogen. Wir bekommen es jedoch nie im Film erzählt – das verwirrt.
Davon abgesehen macht der Junge seinen Job echt gut. Das ist nicht unbedingt wie Rami Malek in Bohemian Rhapsody, wo Malek auch das Äußere hat, um im Kino völlig zu vergessen, dass es nicht Freddy Mercury ist. Trotzdem macht Chalamet eine ordentliche Figur. Welcher Charakterzug von Dylan wirklich deutlich durchkommt, dass ist das "Lasst mich in Ruhe. Wieso bin ich nur berühmt geworden?". Bobby Dylan wird ganz am Anfang des Films von Pete Seeger gefragt, was er werden will? Und seine Antwort ist: Ein Junge, der Musik spielt und davon leben kann. Nicht mehr.
Like A Complete Unknown ist ein gut erzählter Musiker-Film. Chalamet und auch Edward Norton (dem ich es wirklich sehr gewünscht hätte), haben beide jeweils eine Oscar-Nominierung (Haupt- und Nebenrolle) erhalten. Der Film hat insgesamt acht Nominierung erhalten, wovon er allerdings keinen Oscar gewonnen hat. Like A Complete Unknown ist gut gemacht, gut gespielt und macht Laune, sich mehr mit der Musik von Dylan zu beschäftigen.
Die einzige Figur, die ich nicht verstanden habe, ist die von Sylvie. Die schaut die ganze Zeit drein, als hätte man ihr irgendwas gestohlen. Sollte sie nicht eine selbstbewusste, politisch engagierte Frau sein? Das kommt nicht rüber. Ich glaube, die Figur kam auch bei meiner Begleitung nicht so gut an.