Besprechung
Die beiden Schwestern einer Mormonen-Kirche, Schwester Paxton (Chloe East) und Schwester Barnes (Sophie Thatcher), gehen ihre Liste zu bekehrender Bürger durch. Schwester Barnes hat schon etwa neun Leute bekehren können, Schwester Paxton noch keinen. Ihre Tour führt sie zu einem kleinen Haus, das zwischen dunklen Fichten steht. Mr. Reed (Hugh Grant) hat Interesse bekundet.
Es dauert etwas, bis der ältere Herr die Tür aufmacht. Da es gerade anfängt stark zu regnen, lädt er die beiden jungen Frauen ein, ins Haus zu kommen. Die Regel der Kirche besagt, dass die Schwestern nur eintreten dürfen, wenn noch eine zweite Person, bevorzugt eine Frau, anwesend ist. Jaja, seine Frau backt gerade Kuchen. Die beiden Schwestern treten ein.
Das Gespräch läuft sehr schnell in eine seltsame Richtung. Mr. Reed, der angibt selbst Theologie studiert zu haben, fragt, was die Frauen von Polygamie hielten. Eine Frage, die den Frauen ungewöhnlich vorkommt und die ihnen auch unangenehm ist. Die Unterhaltung wird immer seltsamer. Als Mr. Reed kurz das Zimmer verlässt, wollen die beiden Frauen stiften gehen. Doch die Tür ist verschlossen. Mr. Reed erklärt, seine Haustür sei an eine Zeitschaltuhr gekoppelt und die Tür ginge erst am nächsten Morgen auf. Aber sie könnten den Hinterausgang benutzen.
Sie folgen Mr. Reed und landen in einer Art Kapelle, in der der Hausbesitzer mehr unangenehme Fragen stellt. Er möchte herausfinden, was die einzig wahre Religion ist – und dafür benutzt er Schwester Paxton und Schwestern Barnes.
Meinung von Nils
Hugh Grant wollte nicht immer den lieben, schrulligen Typen spielen (z.B. Vier Hochzeiten und ein Todesfall). Das Regie- und Drehbuch-Duo Scott Beck und Bryan Woods hörten davon und schrieben Heretic mit Grant im Sinne. Der Brite spielt hier eine sehr unangenehme Figur, die manipuliert, in die Irre führt und noch andere grausame Dinge macht. Dennoch konnte er an einigen Stellen sein schelmisches Grinsen aus den vielen anderen Rollen nicht immer unterdrücken.
Der Film fängt ziemlich langsam an. Da gingen schon bei den Spacken vor uns die Mobiltelefone an, um zu sehen, wie spät es ist. Wenn die Schwestern in Reeds Falle sitzen, geht es auch noch recht ruhig zu. Der Film wird als Horror-Film gehandelt, ist aber eher ein Psycho-Horror. Man sieht kaum "Blut und Eingeweide", dafür wird einem viel Gedankenspiel entgegen geworfen. Mr. Reed sucht die einzig wahre Religion. Seine Fragen sind darauf ausgelegt, den jungen Frauen unangenehm zu sein und auch ihren eigenen Glauben in Frage zu stellen. Seine Fragen und seine Analogien — Stichwort: Monopoly — kommen dann auf einmal doch ziemlich schnell geschossen. Die Frauen und die Zuschauer haben kaum Zeit, all die kleinen Geschichten von Mr. Reed zu verarbeiten. Und dennoch drängt er auf eine Antwort. Für ihn ist das, was folgt, ein Experiment.
Als wir aus dem Kino kamen, hatte ich zwei Kolleginnen an meiner Seite, die unisono meinten, wie scheiße der Film doch wäre. Fand ich nicht. Ja, Heretic hat einige Logiklücken, aber wenn man davon absieht, hat man einen guten Psychothriller vorliegen. Und wenn jemand die Religion in Frage stellt, gar nicht einmal, um sie bloß zu stellen, sondern weil er der Meinung ist, alle Religionen seien eh nur eine Kopie einer Kopie (Stichwort: Ringparabel), dann ist das doch ein interessantes Gedankenspiel.
Die Regisseure pflanzen Gedanken in die Köpfe der Zuschauer, die nicht angenehm sind. Zwar hat Mr. Reed auch nicht alle Fakten korrekt im Kopf, aber das dürfte den wenigsten Zuschauern aufgefallen sein.
Heretic ist leider manchmal einfach nur dumm erzählt. Wenn Schwester Paxton die Leiter in den Unterkeller hinabsteigt, ist doch klar, was passiert. Wobei ... am Ende hat das alles einen Sinn. Mr. Reed hat sie soweit beeinflusst, dass sie von selbst auf die einzig wahre Religion kommt. Und ja, dem kann man zustimmen. Heutzutage sowieso, in früheren Tagen aber auch. Damals war Religion jedoch auch noch ein Mittel, um sich in einer unerklärlichen Welt zurechtzufinden. Was von der Wissenschaft abgelöst wurde.
Sophie Thatcher, die ich schon in Prospect gesehen habe, kommt hier klar als die dominante weibliche Figur rüber. Beck und Woods haben für ihre Schwester Barnes ein besonderes Schicksal parat. Ebenso für Schwester Paxton, die an der Erfahrung nur wachsen kann.
Ich fand den Film nicht schlecht. Die Idioten vor mir haben jedoch sehr oft auf ihr Telefon geschaut und beim Aufstehen konnte ich mitbekommen, dass in der Reihe hinter uns ein Mann seiner Begleitung erst noch einmal schnell erklären musste, was sie da eben gesehen haben. Heretic ist keine leichte Kost. Wer Verfolgungsjagden, Bumm-Bumm, schnelle Schnitte oder Gore von einem Film erwartet, ist bei Heretic falsch aufgehoben. Das Kino war voll, aber ich denke, der Großteil der Anwesenden hatte sich etwas völlig anderes vorgestellt ...