Besprechung
Jake (Eric Tabach) wäre viel lieber vor der Kamera und ein bedeutender Reporter. Stattdessen hockt er in Zeiten von Corona Zuhause und schneidet Videos für Tim (Zachary Booth) vom New Yorker Fernsehsender 3. Oh, und Tim ist ein Arsch. Das macht Jakes Job nicht leichter.
Momentan schnippelt Jake einen Bericht über den tragischen Tod des ehemaligen Staatsanwalts Lieberman (Larry Fessenden) zusammen. Da in dem Fall vieles unklar ist und die Bodycam des Streifenpolizisten, der Lieberman bei einer Routinekontrolle angehalten hat, auf seltsame Weise kaputt war, vermuten viele, dass hier eine Vertuschung am Werk ist. Jake sieht das nicht unbedingt so.
In den letzten Zügen, Tim im Nacken, erhält Jake irrtümlicherweise Videomaterial, das seine Sicht auf den Fall ändert. Jake wittert seine Chance auf ein besseres Leben.
Meinung von Nils
Schon gewusst? Ich bin der schlechteste Konsument, den die Werbeindustrie sich denken kann. Werbung prallt an mir ab und kann keine Begehrlichkeiten wecken. Das ist eigentlich Grundgesetz. Doch bei Dashcam bin ich auf den Promotiontext vom Fantasy Filmfest reingefallen. Wobei ... Nein. Ich bin nicht darauf reingefallen, ich wollte mich vielmehr davon überzeugen, dass sie Blödsinn verzapfen. Da heißt es über Dashcam, der Film sei der moderne Die drei Tage des Condor dieser Generation. Als ob ...
Lustigerweise gab es vor dem Film einen Videogruß von Regisseur und Autor Christian Nilsson, sowie Hauptdarsteller Eric Tabach. Nilsson spricht hier selber davon, dass sein Film von Blowup, Brian De Palmas Blow Out und vor allem von Ford Coppolas Der Dialog beeinflusst sei. Jake heißt im Film mit Nachnamen Caul. Gene Hackmanns Charakter in Der Dialog heißt Harry Caul. Die Verbindung ist also ziemlich offensichtlich. Von Die drei Tage des Condor ist keine Rede.
Der Untertitel des Films lautet We've been lied to, in Anspielung darauf, dass die Politik etwas vertuscht. Ähm. Ja. Und? Das wissen wir doch alle schon lange. Was das genau in Dashcam ist, erfahren wir nicht. Somit haben wir hier den klassischen MacGuffin vorliegen.
Jake schnippelt also das Videomaterial der Bodycam, der Dashcam und eine Tonaufzeichnung von Liebermans Telefon zusammen, woraus sich ein neues Bild ergibt. Also zumindest ein Bild, das von dem, was in der Öffentlichkeit kurisert abweicht. Lieberman hat, so lernen wir, tatsächlich irgendwelche belastenden Unterlagen gegen den Gouverneur von New York vorliegen gehabt.
Dashcam hat Elemente von Der Dialog, keine Frage. Er ist auch so ruhig und etwas langatmig wie sein Vorbild. Wir starren gefühlt die Hälfte des Films auf Adobe-Produkt A und später auf Adobe-Produkt B. Na, wenn das mal kein Productplacement war. Der Film ist einer dieser ach-so-modernen Filme, die mich persönlich ziemlich nerven. Wir sehen neben dem Schneideprogramm auch ganz viel Desktop und FaceTime-Aktion. Also alles digital, Mann ... Erinnerte mich ein wenig an Searching, gemischt mit "Found Footage"-Filmen wie Blair Witch Project und Co.. Nicht mein Ding.
Davon abgesehen, dass wir Jake hauptsächlich im grün-blauen Licht seines Computermonitors sehen, ist der Film, der erste abendfüllende von Nilsson, nicht schlecht gemacht. Er holpert noch an der einen oder anderen Stelle und ist, wie schon gesagt, etwas langatmig. Gerne hätte ich gesehen, wie Jake mehr in Gefahr gerät. Also schon etwas mehr Die drei Tage des Condor. Stattdessen hockt der immer nur vorm Rechner. Das ist zum einen Corona geschuldet, zum anderen dem Umstand, dass Jake einfach nicht gerne vor die Tür geht.
Eine wirkliche Verbindung kann Tabach nicht zum Zuschauer aufbauen. Immer schlecht ... Sowohl Harry Caul als auch Turner (Robert Redfords Figur in Die drei Tage des Condor) wollen das Richtige tun. Jake unterscheidet sich von den Vorbildern dadurch, dass er nur auf seine Karriere bedacht ist und nicht unbedingt die Wahrheit als hohes Gut ansieht. Auch das mach Jake weniger zugänglich.
Falls Dashcam irgendwann mal irgendwo läuft, kann man ihn sich aber ruhig anschauen.