Filmplakat Searching

8/10

"Ich kannte sie nicht. Ich kannte meine Tochter nicht." — Searching, 2018

Searching

Besprechung

Das Verhältnis zwischen David Kim (John Cho) und seiner 16-jährigen Tochter Margot (Michelle La) ist nach dem Tod von seiner Frau Pamela (Sara Sohn) vor zwei Jahren gestört. Der Schmerz sitzt bei Vater und Tochter tief.

Eines Abends ruft Margot ihren Vater mehrfach an, doch der schläft schon. Am nächsten Morgen sieht er die verpassten Anrufe. Margot geht nicht mehr ans Telefon. Zunächst wendet David sich an seinen Bruder Peter (Joseph Lee), doch erste Versuche die Freunde von Margot über ihren Aufenthalt auszufragen verlaufen negativ. David schaltet die Polizei ein.

Detektiv Rosemary Vick (Debra Messing) nimmt den Fall an. Was sie zunächst braucht, sind Informationen, um Margot besser zu verstehen. David sucht auf dem Rechner seiner Tochter nach Hinweisen. Dabei taucht er in ihre Socialmedia-Aktivitäten ein. Er findet heraus, dass Margot seit sechs Monaten nicht mehr zum Klavierunterricht geht, aber die 100 Dollar pro Stunde immer genommen hat. Bis sie vor zwei Tagen 2.500 Dollar von ihrem Konto an jemanden überwiesen hat. Die Suche nach Margot wird immer kritischer und die Dinge, die der Vater über seine Tochter herausfindet, werden immer rätselhafter.

Meinung von

Ein kleiner Krimi, der ziemlich untergegangen ist. Im Kino lief der bei uns glaube ich nicht, nur im Savoy sah ich ein Plakat dazu mit wenigen Vorstellungen. Searching ist auch etwas schwierig in der Darbietung. Wir sehen niemals die Personen "in echt". Alles, was wir sehen, sind Anrufe, Chats, Casts und Nachrichten durch die Linse einer Kamera. Sei es die Kamera am Rechner von David oder am Laptop von Margot, eine Mobil-Telefonkamera, eine Überwachungskamera oder eben Nachrichten im Web. Wir sind dazu verdammt, alles "aus zweiter Hand" zu erfahren. Es ist nie eine "echte" Kamera da. Herzlich willkommen im Zeitalter von Videotelefonie und Totalüberwachung aus der Hosentasche. Ich spreche vom Mobiltelefon ...

Wenn man sich erst einmal an dieses ungewöhnliche Format gewöhnt hat, läuft der Film flüssig dahin. Die Geschichte gibt genügend Wendungen um spannend zu sein. Ist Margot weggelaufen? Wurde sie entführt? Lebt sie noch? Ist sie längst tot? Was hat es mit dem Geld auf sich? Wieso hat sie das geliebte Klavierspiel aufgegeben? An einer Stelle muss David beschämt zugeben, dass er seine Tochter eigentlich gar nicht kannte. Aber auch all ihre Schulfreunde hatten kaum Kontakt zu der 16-Jährigen.

Wir werden tatsächlich mehrfach in die eine Richtung gelenkt, dann wieder in eine andere. Von daher ist Searching durchaus spannend und gute Unterhaltung. Nur zu leicht können solche Filme, bei denen es um Computer, die Nutzung durch junge Menschen und vor allem die Nutzung von "den neuen Medien" durch Hollywood-Schreiberlinge nur zum Zwecke der Spannung kaputt geschrieben werden. In Searching ist das jedoch alles recht ordentlich dargestellt.

Etwas lächerlich ist nur, dass der Film gefühlt eine einzige Apple-Werbung zu sein scheint. Macbook, iPhone, Facetime ... Schon peinlich. Es werden aber auch Google und sogar Yahoo unangenehm oft in den Vordergrund gestellt. Ja, ohne geht es nicht, aber ... ich darf wohl sehr doch bitten.

Searching ist kein Meisterwerk und wie schon erwähnt ist die Bildwelt gewöhnungsbedürftig. Davon abgesehen ist der Film aber unterhaltsam, spannend und kann am Ende mit einem "Ach ne, Echt? Fuck ..."-Moment aufwarten.

Aufgrund der Tatsache dass SocialMedia ein wichtiger Aspekt des Films sind, würde ich sagen, dass ich Searching nicht meinen Eltern empfehlen würde. Die können mit diesem Kram nichts anfangen und würden nur ständig den Kopf schütteln.

Den Kopf habe ich geschüttelt, als die Nachricht vom verschwinden Margots die Runde macht und plötzlich all die Leute, die vorher noch sagten, sie hätten keinen Kontakt zu Margot gehabt, aus ihren Löchern gekrochen kommen. Auf einmal war Margot die beste Freundin und wird wahnsinnig vermisst. Alles schön in den sozialen Medien breitgetreten. Das ist einfach eklig anzusehen. So ist das aber nun einmal leider mit diesen Medien.


Man ahnt es ab einem Punkt, dann wird es gewiss: das große Problem in dem Film ist, dass sowohl Vater als auch Tochter vom Tod der Frau, bzw. Mutter, quasi traumarisiert sind. David kann über den Tod nicht mit Margot reden. Die braucht aber so ein Gespräch zur Trauerbewältigung. Weil ihr Vater nicht für sie da ist, rutscht sie in diese Geschichte hinein.

Als sich langsam das Bild ergibt, dass es zwischen Margot und ihrem Onkel ein inniges Verhältnis gab, dachte ich noch Oh je, das ist der Twist? Igitt., doch der Streifen geht dann in eine andere Richtung. Viele Dinge, die zur Aufklärung des Falls führen, werden geschickt und nicht merklich im Laufe des Streifens eingestreut. Wenn sie dann wieder hochploppen, ist das manchmal ein "Boah, das ist jetzt aber gestellt"-Moment, dann fällt einem jedoch ein, dass sie dies oder jenes tatsächlich vorher kurz erwähnt hatten. Da hat Regisseur und Co-Autor Aneesh Chaganty mit seinem ersten abendfüllenden Film einen guten Job abgeliefert.