Filmplakat Anonymus

8/10

"Mich mögt ihr verraten haben, aber ihr verratet niemals meine Worte." — Anonymus, 2011

Anonymus

Besprechung

William Shakespeare (Rafe Spall) war ein Schauspieler. Der Autor Ben Johnson (Sebastian Armesto) wird eines Tages vom Grafen von Oxford, Edward de Vere (Rhys Ifans), angesprochen. Johnson ist mit voller Leidenschaft Autor von Bühnenstücken, was zu der Zeit in England nicht von allen gerne gesehen ist. Der Graf bietet Johnson Geld an. Johnson soll die Stücke von de Vere als seine eigenen ausgeben. De Vere schreibt schon lange, kann aber aus persönlichen und vor allem politischen Gründen nicht als Autor auftreten. Johnson ist sich nicht einig. Er diskutiert das mit Shakespeare und entscheidet sich schließlich, seine Integrität zu bewahren. Wenn er etwas veröffentlicht, dann soll es sein eigenes Werk sein.

Das erste Stück wird aufgeführt und es ist ein riesiger Erfolg. Das Publikum lässt sich von den Worten des Stücks mitreißen. Genau das will de Vere auch damit bewirken. Seine Stücke beinhalten Personen des öffentlichen Lebens, vor allem das seines verhassten Schwiegervaters William Cecil (David Thewlis), der am Hofe der Königin Elizabeth I (Vanessa Redgrave) als Berater der Monarchin sein Gift ins Ohr flößt.

Weil Johnson nicht die Autorschaft für das gelungene Stück übernehmen will, tritt Shakespeare ins Rampenlicht. Er lässt sich feiern und erntet all den Ruhm. Johnson ist angepisst, doch de Vere ist es egal. Er hat noch so viele Stücke parat, die er auf der Bühne sehen will. Hauptsache das fällt nicht auf ihn zurück. Edward de Vere, der in jungen Jahren (Jamie Campbell Bower) mit der Königin (Joely Richardson) eine Affäre hatte, plant mit seinen Stücken etwas. Während Cecil den Sohn der schottischen Königin auf dem Thron sehen will, verfolgt Edward eine andere Strategie.

Meinung von

Der Film fängt wie ein Bühnenstück an. Im Scheinwerferlicht steht ein Schauspieler (Derek Jacobi), der dem Publikum eine andere Geschichte von Shakespeare erzählt. Nach einer kleinen Einleitung wird geschickt von der Bühne ins alte London geschnitten, wo wir Ben Johnson sehen, wie er ein Bündel in Sicherheit bringen will. Der Film springt oft in den Zeiten hin und her. Mal Gegenwart, dann fünf Jahre zuvor und schließlich noch viel früher, wenn die Affäre zwischen der jungen Königin und dem jungen Grafen erzählt wird. Da muss man manchmal etwas aufpassen.

Die Theorie, dass William Shakespeare, Autor von 37 Bühnenstücken, 154 Sonetten und etlichen anderen Schriften, gar nicht das Genie war, für das wir ihn immer halten, ist nicht neu. Bereits 1920 brachte der Brite Thomas Looney diese Theorie auf. Es gibt keine Handschriften von Shakespeare, keinen Beweis, dass er überhaupt schreiben konnte. Es wird vermutet, dass er Analphabet war. Looney hat nachgeforscht, wer aus der damaligen Zeit fähig gewesen wäre, diese Stücke zu schreiben. Es müsste ein Adliger gewesen sein, weil viele Stücke im Adel spielen. Der Autor müsste Latein, Griechisch und Französisch gekonnt haben und er müsste gereist sein. Vor allem Italien scheint vom Autor bereist worden zu sein. Das trifft alles auf Edward de Vere, den 17. Earl of Oxford zu – aber bestimmt nicht auf William Shakespeare.

Autor John Orloff griff diese Theorie auf und schrieb dazu eine spannende Geschichte. 1998 fand er allerdings keinen Abnehmer dafür, weil gerade Shakespeare in Love ein großer Hit war. Roland Emmerich, der bekannt dafür ist, patriotischer zu sein als so mancher Amerikaner und der gerne Dinge in die Luft sprengt, nahm das Skript dann 2005 auf, wollte aber nicht sofort loslegen. Das Stoff ist zu brisant, als dass man ihn ohne historische Recherche hätte verfilmen können, beziehungsweise sollen.

Emmerich, der mit Stargate, Independence Day, Godzilla, Der Patriot und The Day After Tomorrow gutes Geld gemacht hatte, finanzierte Anonymus komplett aus eigener Tasche. So hatte er die volle künstlerische Kontrolle über den Stoff. Es ist ungewöhnlich einen so ruhigen, ernsten Film von Emmerich zu sehen. Es gibt keine Explosionen, keine Monster.

Mir war die Theorie bis zum Film nicht bekannt. Es ist eine glaubwürdige Theorie, die einen der größten Dramatiker von seinem Thron stürzt. Zwar hat sich Orloff auch beim Schreiben des Drehbuchs einige künstlerische Freiheiten herausgenommen. Dennoch wirkt das alles rund und glaubwürdig. Die Kostüme sind passend und vor allem zu Rhys Ifans kann man eine gute Beziehung aufbauen. Ifans ist eher bekannt als chaotischer, versiffter, durchgeknallter Typ (Notting Hill, Helden aus der zweiten Reihe, Radio Rock Revolution, Harry Potter und die Heiligtümer des Todes, Teil 1), hier gibt er jedoch einen eleganten, kultivierten Adligen, der eines der größten Geheimnisse mit sich trägt, das man haben kann.

Ich mochte den Film. Ich mag auch solche Theorien, die mit etwas brechen, wovon alle ausgehen, dass es die Wahrheit ist. Der Streifen hatte aber wohl keinen großen Erfolg. Ich erinnere mich kaum daran, ein Kinoplakat gesehen zu haben. Wenn er im Kino lief, dann war er auch schnell wieder raus. Was schade ist. Die Menschen wollen von Emmerich wohl nur Knall-Peng-Bumm haben. Oder aber, die Strafordianer (Shakespeare war's!) sind gegenüber den Oxfordianern (Edward de Vere war's!) in der Übermacht.