Filmplakat Jojo Rabbit

8,5/10

"Fuck off, Hitler!" — Jojo Rabbit, 2019

Jojo Rabbit

Besprechung

Der zehnjährige Johannes „Jojo“ Betzler (Roman Griffin Davis) ist überzeugter Nazi. Nun ist er endlich zehn und kann der Hitler Jugend beitreten. Weil er für seine Altersgenossen irgendwie „komisch“ ist, hat er nicht viele Freunde. Sein zweitbester Freund ist der rundliche Yorki (Archie Yates). Jojos bester Freund ist jedoch Adolf Hitler (Taika Waititi). Also okay, das ist nicht wirklich Hitler. Jeder Junge hat doch einen imaginären Freund. Für Jojo ist das eben dieser Hitler.

Nach einem Unfall im HJ-Lager kommt Jojo, der den Spitznamen „Jojo Rabbit“ erhalten hat, weil er nicht mit Freude ein Kaninchen hat umbringen können, schwerverletzt nach Hause. Seine alleinerziehende Mutter Rosie (Scarlett Johansson) pflegt ihren kleinen Sonnenschein. Halbwegs gesund, darf er für Captain Klenzendorf (Sam Rockwell), oder auch kurz „Captain K“, Botengänge und Plakatierarbeiten übernehmen. Immerhin. Jojo wollte zwar den vollen Nazi raushängen lassen, aber dann bleibt es eben bei diesen Aufgaben.

Eines Tages muss Jojo allerdings feststellen, dass seine Mutter ein Geheimnis hat. Rosie hat ein jüdischen Mädchen namens Elsa (Thomasin McKenzie) auf dem Dachboden versteckt. Was soll Jojo machen? Hitler rät ihm so einiges, aber nichts davon ist wirklich brauchbar.

Meinung von

Wo soll man da anfangen? Bei der Starbesetzung? Bei der Tatsache, dass Hitler ein Trottel ist, der echt miese Ratschläge gibt und kein Blut sehen kann? Bei der Tatsache, dass sich der jüdische Regisseur Taika Waititi ein kleines Bärtchen angeklebt hat und damit Hitler so richtig schön den Stinkfinger zeigt?

Fangen wir bei dem kleinen Jojo an. Der lebt in Falkenheim und wünscht sich nichts sehnlicher, als endlich irgendwo dazuzugehören. Die Hitler Jugend als Verein von Gleichgesinnten? Super. Jojo steigt voll auf die Nazi-Propaganda ein. Seine Mutter, so lieb er sie auch hat, ist nicht ihr Vater. Der kämpft fürs Vaterland. Also das hat er zumindest so erzählt bekommen. Rosie – herzerfrischend von Scarlett Johansson dargestellt – ist trotz der Scheiße, die um sie herum passiert, optimistisch und lebensfroh. Tanzen ist für sie der Inbegriff von Freiheit. Und die Freiheit wird bald kommen. Schnell lernen wir, dass Rosie wohl nicht den selben Zug genommen hat, wie ihr verblendeter Junge.

Jojo glaubt jeden Müll, den die Nazipropagandamaschinerie verbreitet. Juden sind Monster, im Bunde mit dem Teufel, immer hinter dem Geld her, nachts hängen sie wie Fledermäuse von den Dächern und ich will erst gar nicht darüber reden, wozu Rabbis die abgeschnittenen Penise benutzen ...

Das soll sich ändern, als Jojo eine echte Jüdin kennenlernt. Die ist verständlicherweise nicht angetan von dem braunen Jungen. Allmählich kommen sich die beiden jungen Leute näher. Menschlich näher. Elsa ist sieben Jahre älter und sie erzählt Jojo, dass sie auch schon verlobt ist. Elsa erzählt Jojo wilde Geschichten, was die Juden so ausmacht. Diese Geschichten hält Jojo in einem Buch fest. Denn Captain K meinte, irgendjemand müsste mal ein Buch über die Juden schreiben. Das wäre ein Hit.

Waititi kann nicht nur quietschbunt und lustig, wie in Thor: Tag der Entscheidung, sondern auch gefühlvoll und zwischenmenschlich, wie in Wo die wilden Menschen jagen bewiesen. Jojo Rabbit ist beides: lustig und menschlich, ergreifend, traurig und absolut verrückt. Jojo ist ein guter Junge, der nirgends reinpasst. Natürlich will der nicht immer alleine sein. Da kommt dieser ganze Nazi-Kram wie gerufen. Hitler Jugend als Feriencamp Gleichgesinnter, das wär' was. Dann der Unfall und aus der Traum. Captain K, herrlich schräg von Sam Rockwell gespielt, ist irgendwie anders als die anderen braunen Gesellen. Das wird allerspätestens klar, als er seinen Entwurf für seine neue Uniform zeigt.

Vorurteile gab es damals (und wohl auch noch heute) in großen Mengen. Ein Feindbild wurde künstlich aufgebaut. Auch im Kopf von Jojo. Aber noch einmal: er ist eigentlich ein guter Junge. Das kann er auch nur – bei der Mutter. Sie gibt ihrem Jungen wahnsinnig viel Liebe. Sie versucht Jojo das Leben als Spiel zu präsentieren. Dabei weiß sie sehr wohl, was dieser Krieg bedeutet: Tod. Tod für viele, viele Unschuldige. Sie liebt ihr Land, erklärt sie Jojo, sie hasst nur diesen Krieg. Deshalb macht sie heimlich alles, um ihn endlich zu einem Ende zu bringen. Zudem hilft sie Elsa.

Thomasin McKenzie hat bereits in Leave no Trace gezeigt, dass sie starke, junge Frauen spielen kann. Sie ist zunächst schroff, taut dann aber immer mehr auf und wenn es extrem brenzlig wird, wagt sie etwas, das niemand im Kinosaal erwartet hätte. Ihre Elsa ist zart und gleichzeitig hart. Während Rosie Elsa bittet durchzuhalten und auch den nächsten Tag zu überleben, sagt die junge Frau I haven't lived at all. als Reaktion auf ihr Leben zwischen den Wänden und in ständiger Angst.

Jojo Rabbit ist ein wunderbarer Film. Er ist lustig und schräg auf der einen Seite. Auf der anderen verleugnet er nicht, wie beschissen Krieg ist, was der zweite Weltkrieg und das Nazi-Deutschland für die Menschen bedeutet hat, welche Gräueltaten damals verübt wurden. So lustig der Film auch ist, an einer Stelle rammt er einem eine kalte Stahlklinge ins Herz. Das ist echt harter Tobak ... Von daher hat Jojo Rabbit alles, was ein guter Film braucht. Einen überaus liebenswerten Helden, diverse gute Nebenfiguren, ebenfalls schräge Figuren und die harte Realität.

Am Ende lautet die Botschaft: Tanzt, wenn Ihr frei sein wollt. Und: 31 Hitler-Grüße in kürzester Zeit? Ihr spinnt doch.