Filmplakat Naked Lunch

7/10

"Kein Amerikaner sollte sich im Ausland ohne Pistole aufhalten." — Naked Lunch, 1991

Naked Lunch

Besprechung

Der erfolglose Schriftsteller Bill Lee (Peter Weller) verdient sich seinen Unterhalt als Kammerjäger. Seine Frau Joan (Judy Davis) ist abhängig von dem Wanzenpulver, das er zum Töten von Insekten benutzt. Bill geht zu Dr. Benway (Roy Scheider), der ihm ein schwarzes Pulver gibt. Dieses Pulver, das aus im Wasser lebenden Tausendfüsslern aus Brasilien stammt, soll helfen, Joan von dem Teufelszeug runterzubekommen. Stattdessen wirft Bill sich den Shit ein. In einem Drogenrausch erschießt er seine Frau. Ein riesiger Käfer hatte ihm gesteckt, dass seine Frau eine Agentin sei und eventuell nicht einmal ein Mensch.

In einer Bar lernt Bill den Homosexuellen Kiki (Joseph Scoren) kennen. Der macht ihn mit einem riesigen insektioden Alien, einem Mugwump, bekannt. Danach kauft sich Bill eine Clark Nova, eine Reiseschreibmaschine und macht sich auf den Weg in die Interzone in Nordafrika. Seine Schreibmaschine spricht zu ihm als Käfer und verlangt ausführliche Reports, die Bill als Agent anfertigen soll.

In der Interzone lernt er das Schriftstellerpaar Tom (Ian Holm) und Joan Frost (Judy Davis) kennen. Bill versucht zu ergründen, was all die feindlichen Agenten wissen, was es mit dem schwarzen Fleisch und was mit den Mugwumps auf sich hat.

Meinung von

Na, noch da? Wer bis hierher gelesen hat: Bravo! David Cronenberg ist bekannt für seine "fleischigen" und abartigen Bilder. Das hatte er fünf Jahre zuvor bei Die Fliege gezeigt, das sollte er später in eXistenZ perfektionieren. Die Vorlage zu Naked Lunch ist das gleichnamige Buch des US-amerikanischen Autors William S. Burroughs. Das Buch war, als es 1959 erschien, ein riesiger Skandal. Burroughs schrieb sein Buch in Tanger, Marokko. Burroughs war zwölf Jahre lang abhängig von Heroin. In Tanger konsumierte er Alkohol und Kanabis in rauen Mengen. Unter dem Einfluss dieser Drogen entstand das Buch. Wobei ... eigentlich verfasste der Autor hauptsächlich kleine Geschichten und Ideen-Skizzen, die er unter anderem an Allen Ginsberg schickte. Der bewahrte die Schriftstücke auf und später sollte daraus ein Roman zusammengetackert werden.

Na, ist jetzt allmählich klar, warum die Filmbeschreibung so schräg ist? Der Film ist unglaublich abgefuckt, selten habe ich sowas gesehen. Die Geschichte ist ein wilder Drogenrausch. Cronenberg nahm die unverfilmbare Buchvorlage und kreierte Etwas, das man noch auf der Leinwand zeigen konnte. Dabei ließ sich Cronenberg wohl &ndash ich habe das Buch nie gelesen &ndash von Motiven des Buches inspirieren und mischte die Entstehungsgeschichte von "Naked Lunch" sowie biografische Elemente von Burroughs mit in die Geschichte ein. Zum Beispiel hatte Burroughs unter Alkoholeinfluss 1951 auf einer Party seine Frau Joan Vollmer Adams erschossen. Diesen "Wilhelm Tell"-Akt finden wir auch im Film wieder.

Dass Burroughs Teilgeschichten an Ginsberg schickte, wird in Naked Lunch ebenfalls aufgegriffen. Bills New Yorker Schriftstellerfreunde Hank (Nicholas Campbell) und Martin (Michael Zelniker) tauchen eines Tages in der Interzone auf. Martin hat von Bill unzählige Seiten eines großartigen Buches zugeschickt bekommen. Bill erinnert sich jedoch nicht daran, jemals etwas derartiges geschrieben zu haben.

Burroughs soll sich in den Jahren der Entstehung von "Naked Lunch" und danach sehr mit dem Thema Kontrolle beschäftigt haben. Selbstkontrolle aber vor allem Fremdkontrolle. Kontrolle durch Drogen, durch Sex, Verschwörungen und Außerirdische. Alles fließt in Naked Lunch hinein. Das ist verstörend, Cronenberg gewinnt dem jedoch auch etwas Faszinierendes ab.

Die Handschrift Cronenbergs zeigt sich vor allem in den fleischlichen und "öffnungsartigen" Bildern. Eine Schreibmaschine, ein mechanisches Ding, wird plötzlich biologisch. Das Abdomen des Schreibmaschinenkäfers wird zum sprechenden Anus – ein Sinnbild für eine im Film rezitierte Kurzgeschichte. Die Zweitschreibmaschine von Tom Frost wird unter den Händen von Joan ebenfalls zu Fleisch und Gedärm, in das Joan genüßlich ihre Hände eintaucht. Bis sich die Schreibmaschine zu einer Art riesigen Facehugger aus Alien entwickelt, nur mit einem Arsch und einem Penis. Dieses Ding mischt sich ins Liebesspiel von Joan und Bill ein.

Viel Sinn macht der Film nicht. Er ist, wie wohl das Buch auch, eine Ansammlung von drogenvernebelten Gedanken, Verschwörungstheorien und homosexuellen Fantasien. Cronenberg schuf dennoch ein halluzinatorisches Filmwerk, in dem Peter Weller bestens besetzt ist. So krank der Film auch ist, er hat eine gewisse Faszination an sich und man sollte Naked Lunch wenigstens einmal gesehen haben. Der Skurrilitätsfaktor ist jedenfalls extrem hoch!