Filmplakat The Edge of Seventeen

7/10

"Sagtest du gerade 'Freundinnen'? Im Plural?" — The Edge of Seventeen, 2016

The Edge of Seventeen

Besprechung

Schon in der zweiten Klasse wurde Nadine (Hailee Steinfeld) bewusst, dass sie anders ist. Niemand mochte sie, niemand wollte mit ihr spielen. Ihre Mutter (Kyra Sedgwick) hat ihre Probleme mit dem Mädchen. Nadine hasst ihren Bruder Daran (Blake Jenner), weil ihm alles zu gelingen scheint. Nur ihr Vater (Eric Keenleyside) war immer auf ihrer Seite. Doch der starb, als Nadine 14 war. Ganz alleine ist sie dann doch nicht. Seit bereits zehn Jahren ist Krista (Haley Lu Richardson) ihre beste und einzige Freundin.

Nun ist Nadine 17 und das Leben meint es immer noch nicht gut mit ihr. Sie schmachtet dem „bösen Buben“ Nick (Alexander Calvert) hinterher, während der nette Erwin (Hayden Szeto) Interesse an Nadine hat. Das Leben der Highschool-Schülerin bricht jedoch komplett in sich zusammen, als Krista mit dem Feind ins Bett geht: im wahrsten Sinne. Krista und Darian kommen zusammen. Wie konnte Krista nur? Das ist Hochverrat! Nun ist sie komplett alleine.

Lediglich der Geschichtslehrer Mr. Burner (Woody Harrelson) stellt noch ein wenig Halt für Nadine dar. Der ist jedoch so spröde und hat einen so dunklen, furztrockenen Humor, dass es nicht wirklich so ausschaut, als wäre er eine echte Hilfe.

Meinung von

Ah, eine so genannte "Coming of Age"-Komödie. Also ein Film über einen jungen Menschen, der an der Schwelle vom Jugendlichen hin zum Erwachsenen ist. Das ist ein schmerzhafter Prozess. Da kann man Witze drüber machen. The Edge of Seventeen ist aber keine Schenkelklopfer-Komödie, sondern hat durchaus ernste Töne.

Nadine ist ein einsames Mädchen. Als kleines Kind wurde sie von den anderen Kindern gemieden, ihr Bruder war der ewige Sonnenschein. Das hat sich ins Wesen von Nadine eingebrannt. Auch mit 17 scheint jeder gegen sie zu sein. Nur Krista ist für sie da. Als die sich mit Nadines verhassten Bruder zusammen tut, ist das der größte Verrat, den sich Nadine vorstellen kann. Sie ist wieder alleine. Es dreht sich in Nadines Welt alles nur um sie. Das hat Auswirkungen auf ihre Umwelt.

Autorin und Regisseurin Kelly Fremon Craig schafft es ein Bild zu malen, in dem Nadine wirklich nur "das Opfer" ist, um am Ende mit ihr und dem Zuschauer einen Schritt zurückzugehen. Wir sehen dann, dass dieses negative Verhalten Nadines ihre Mutter und ihren Bruder schädigt. Die Mutter ist mit der Situation eine alleinerziehende Mutter zu sein überfordert. Erst recht mit einer so schwierigen Tochter wie Nadine. Für Nadine bedeutet "gestört sein" gleich "besonders sein". Und wer will das nicht?

Darian, der ewige Strahlemann, leidet ebenfalls an dem Verhalten von Nadine. Nicht, weil sie "ärgerlich" ist, sondern weil sie der Familie massiv schadet und er derjenige ist, der alles zusammenhalten muss. Das kostet enorme Kraft. Krista ist da für ihn ein Ruhepol und den will Nadine auch wieder zerstören, weil sich ja immer nur alles um sie drehen muss. Das kommt am Ende wie ein Paukenschlag.

Nadine brauchte diesen Schlag ins Gesicht. Der Weg dahin ist schmerzhaft. So stürzt sie sich in eine Sex-Affäre mit dem bösen Buben von der Schule, was absolut schief geht. Mr. Bruner hilft ihr. — Das Zusammenspiel von Nadine und Mr. Bruner ist der komödiantische Part des Films. Die beiden spielen herrlich zusammen. Es ist immer eine leicht angespannte, aber nie aggressive Spannung zwischen den beiden. Schülerin und Lehrer frotzeln sich ständig an. Wobei die egozentrische Nadine auch hier einen großen Fehler macht und ihren Geschichtslehrer völlig falsch einstuft.

The Edge of Seventeen ist keine Teeny-Komödie a la Superbad o.ä., sondern geht eher in Richtung Einfach zu haben. Sie plätschert so dahin. Man mag Nadine, aber irgendwie geht sie einem auch auf den Keks, weil sie für sich selber im Mittelpunkt steht und sie nicht sieht, was ihr Verhalten für Effekte auf ihre Mitmenschen hat.

Hailee Steinfeld hatte mit True Grit ihr Kinodebüt. Seit dem hat sie sich viel um ihre Musikkarriere gekümmert. Dadurch ist die junge Frau natürlich ins Bewusstsein einer vor allem eher weiblichen Fangemeinde gerückt. Sie ist ein "Vorbild" für Mädchen, die auch gerne so sein wollen wie ihr Sternchen. Sich dann hinzustellen und einen so kantigen Charakter in so dermaßen schlechten Klamotten zu spielen ist schon einen anerkennenden Kopfnicker wert.

Kein unbeschwert leichter Film, aber ein guter Vertreter des "Scheiße, ist das mit dem Erwachsenwerden schwer"-Genres.

Weil das Zitat zu lang ist für den Anfang der Seite, ich es aber so schön finde, hier ein Zitat aus The Edge of Seventeen, bei dem mir das Herz aufging:

Meine Generation ist 'n erbärmlicher Haufen "Heißer-Luft-Ablasser". Die kriegen ja schon 'n hysterischen Anfall, wenn man ihnen für 'ne Sekunde das Telefon wegnimmt.

Und: Kommunikation verläuft nur noch über Emojis. Da steckt so viel Wahrheit drin ...