Filmplakat Stand by Me

8/10

"Hat deine Mutter nie 'n normales Kind gekriegt?" — Stand by Me, 1986

Stand by Me

Besprechung

Im Sommer 1959 ist es das erste Mal, dass Gordie Lachance (Will Wheaton) eine Leiche sah. Gordie ist zwölf Jahre alt. Seine Kumpels aus dem Baumhaus, Chris Chambers (River Phoenix), Teddy Duchamp (Corey Feldman) und Vern Tessio (Jerry O’Connell), sind ebenfalls ungefähr im gleichen Alter. Vern hat mitbekommen, wie sein Bruder Billy (Casey Siemaszko) von der Leiche eines 12-jährigen Jungen erzählte. Der Junge wird schon seit einiger Zeit vermisst und der Bruder hat den Jungen im Wald gefunden.

Die vier Jungs beschließen für eine Nacht von Zuhause auszureißen und immer an den Bahnschienen zum Fundort des toten Jungen zu reisen. Der Weg dahin ist lang und beschwerlich. Vor allem ist der Tripp aber intensiv für die vier Jungs. Gordie ist eher schüchtern und zartbesaitet. Chris ist „der schlimme Junge“. Als solcher ist er abgestempelt und er hat Angst, dass er dieses Stigma nie los wird und in dem Kaff, aus dem sie alle kommen, versauern wird. Teddy wird von seinem Vater misshandelt, dennoch hält er zu seinem Vater, der doch in der Normandie gekämpft hat. Vern ist das dicke Pummelchen, der ein wenig blöd ist.

Die Reise, die Erlebnisse und die Gespräche lassen die Jungs schnell reifen. Was sie nicht wissen: der Kleinstadtkriminelle Ace „King“ Merrill (Kiefer Sutherland), hat von Verns Bruder erfahren, wo der tote Junge liegt. King und seine Jungs machen sich auch auf den Weg. Sie denken sich, wie die vier jungen Freunde ebenfalls, dass sie als Finder der Leiche zu Ruhm gelangen würden.

Meinung von

Der Film fängt damit an, dass wir Richard Dreyfuss in einem Wagen sitzen sehen. Ein Zeitungsartikel hat ihn sichtlich erschüttert. Seine Stimme hören wir fortan aus dem Off. Er ist der Erzähler der Geschichte. Er ist der erwachsene Gordie. Wir hören seine Geschichte.

Eigentlich hören wir hier einen wilden Mix aus den Geschichten mehrerer Männer. Stephen King schrieb die Kurzgeschichte "The Body". Sie erschien unter anderem zusammen mit der Vorlage zu Die Verurteilten. King hat vieles aus seiner Kindheit in "The Body" einfließen lassen. Nichts Morbides, einfach Kindheitserinnerungen. Aber auch Rob Reiner hat einiges aus seiner Kindheit zum Film beigetragen. So wie Gordie von seinem Vater nicht geliebt wird, hatte Reiner als Junge ebenfalls das Gefühl von seinem Vater, dem Schauspieler und Produzenten Carl Reiner, nicht geliebt zu werden.

Schließlich bringt der junge Corey Feldman noch einiges ein, das persönlicher Natur ist. Sein Teddy ist aggressiv. Kein Wunder, wenn man sieht, was sein Vater mit ihm gemacht hat. Wie es scheint, stammt Feldman auch nicht aus dem besten Elternhaus. Deshalb soll viel von der Wut, die wir auf der Leinwand sehen, von ihm stammen. Obwohl gerade einmal 14 Jahre, wusste der viel zu früh verstorbene River Phoenix ebenfalls eigene Erfahrungen einzubringen. Es gibt die Szene, in der Chris und Gordie nachts im Wald sitzen. Chris erzählt davon, dass er "gebrandmarkt" ist. Jeder geht davon aus, dass er ein schlimmer Junge ist und dass nichts aus ihm wird. Selbst seine Lehrerin hat ihn bei einem Vorfall in der Schule fallen gelassen. Weil Phoenix an der Stelle nicht die Emotionen zeigen konnte, die die Figur benötigte, hat Reiner auf ihn eingeredet. Reiner soll Phoenix geraten haben in seiner eigenen Biografie zu suchen, eine Situation, in der ein Erwachsener ihn hat hängen lassen. Daraufhin flossen die Tränen.

Stand By Me zeigt das Zusammenspiel von Jungen, von ihrer Freundschaft und was aus dieser im Laufe der Zeit wurde. Reiner hat einen guten Job gemacht, die vier Jungs zu casten. Er sagt selber, dass man von jungen Menschen nicht gutes Schauspiel erwarten könne. Man muss sie selbst sein lassen. Also galt es für Reiner Jungen zu finden, die den Charakteren im Film nahe kommen. Das hat er geschafft. Dadurch ist Stand By Me ein so guter Charakterfilm geworden. Auch wenn Reiner Änderungen zur Buchvorlage vorgenommen hat, hat selbst Stephen King gesagt, dass Stand By Me die beste Verfilmung einer seiner Geschichten sei.

Die Jungen verändern sich in den zwei Tagen, die wir sie auf ihrer Wanderung verfolgen. Zumindest Gordie und Chris. Gordies älterer Bruder Denny (John Cusack) ist vor kurzer Zeit bei einem Autounfall ums Leben gekommen. Wir lernen, dass die beiden Brüder sich sehr nahe standen. Denny war der großartige Sportler, weshalb auch der Vater (Marshall Bell) ihn mochte. Gordie war nie gut genug für den Vater. Denny fungierte als Puffer zwischen Vater und dem jüngsten Sohn. Als der geliebte Bruder nun weg fiel, wurde Gordie "unsichtbar". Erst am Ende, wenn er King konfrontiert, wächst Gordie über sich hinaus. Chris, sein guter Freund, gibt ihm die Kraft dazu. Außerdem ist es Chris, der Gordie darin bestärkt Schriftsteller zu werden. Denny sah schon das Potenzial dafür, der Vater machte es zunichte.

Kiefer Sutherland hat in Stand By Me seinen ersten großen Kinoauftritt. Er soll am Set immer in seinem Charakter geblieben sein. Entsprechend hat er den vier Jungen miese Streiche gespielt. Die Jungschauspieler sollen damals richtig Schiss vor Kiefer Sutherland gehabt haben.

Rob Reiner und Richard Dreyfuss kennen sich von der Highschool her. Das heißt aber nicht, dass Dreyfuss Reiners erste Wahl war. Man hat einige Schauspieler ausprobiert gehabt, die vor allem eine gute Erzählstimme haben sollten. Niemand passte. Bis man Dreyfuss fragte.

Stand By Me ist kein Actionfilm. Er ist auch kein Horrorfilm. Er ist eine Hommage an die Jugend und an die Erinnerungen daran. Er zeigt, was Jungen Ende der 50er wichtig war und wie diese vier Jungen reiften. Das ist eine schöne, gut erzählte Geschichte.