Filmplakat Schneeflöckchen

6,5/10

"Wenn du einen Engel vögelst, werden wir in der Hölle für immer von Elefanten misshandelt." — Schneeflöckchen, 2017

Schneeflöckchen

Besprechung

Europa hat einen wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Zusammenbruch erlitten. Im Grunde herrscht Anarchie. Man geht zwar noch seinem normalen Leben nach, aber wenn man abgeknallt wird, ist das auch nicht mehr der große Aufreger. In dieser Welt treffen wir in Berlin Javid (Reza Brojerdi) und Tan (Erkan Arcar). Die sind auch flink mit dem Schießeisen dabei. Gerade verlassen sie eine Dönerbude, in der sie alle umgelegt haben. Vor der Tür klauen sie ein Auto.

Am nächsten Tag findet Javid im Fußraum ein Skript. Ein gewisser Arend Remmers (Alexander Schubert) hat ein Drehbuch geschrieben. Beim Lesen flippt Javid aus. Der Typ hat 1:1 die Szene mit Javid und Tan beschrieben. Jeder Dialog steht da, wie die beiden ihn gesprochen haben. Was zum Teufel?

Während sich Javid und Tan auf den Weg machen, diesen Arend ausfindig zu machen, plant Eliana (Xenia Assenza) die Ermordung der beiden. Zusammen mit ihrem ehemaligen Bodyguard Carson (David Masterson) fährt sie in die Highlands. Hier lebt Carsons Vater Caleb (David Gant), der sich für Gott hält. Caleb kennt Leute, die den dreckigen Job für Eliana übernehmen können. Eliana sinnt auf Rache für den Tod ihrer Eltern.

Meinung von

Na, da hat aber jemand wohl zu viel Schräger als Fiktion gesehen. Javid und Tan sind Figuren in einem Drehbuch – und zugleich echte Personen, die das Drehbuch lesen. Das kommt bekannt vor. Von abgesehen, dreht es sich in dem ziemlich abgedrehten Schneeflöckchen schlicht und ergreifend um Rache.

Der Streifen ist in kleine Kapitel unterteilt, die nicht chronologisch aufeinander folgen. Es wird also in der Zeit immerzu hin und her gesprungen. Außerdem sehen wir zwischendurch immer wieder Aufnahmen eines Interviews mit Winter (Gedeon Burkhard), der eine faschistoide Version von Deutschland anstrebt. Das kommt mit jedem Interviewausschnitt deutlicher zum Vorschein. Erst später wird klar, wieso wir dieses Interview sehen.

Autor Arend Remmer – ja, der heißt in echt so –, spinnt seine Fäden ziemlich geschickt. Langsam werden die Einzelheiten der Geschichte aufgedeckt und ergeben einen Sinn. Das sagt der Autor im Film auch so. Javid und Tan müssten nur abwarten, dann würden sie das große Ganze erkennen. Schön ist, wenn der Film-Arend den beiden Antihelden sein Drehbuch zeigt und meint, sie müssten nicht genau diesen Teil lesen, denn den erlebten sie ja gerade. Das ist also alles so ein "Rekursivscheiß".

Seltsam ist das ewige Gespringe in den Sprachen. Eliana ist eigentlich gebürtige Berlinerin, spricht mit ihrem englischen Ex-Bodyguard aber englisch. Caleb spricht ebenfalls englisch. Die beiden polnischen, total durchgeknallten Auftragskiller Bolek (Adrian Topol) und sein Bruder Dariusz (Antonio Wannek) sprechen entsprechend polnisch und ein gebrochenes englisch. Okay, Dariusz spricht das nicht. Der ist stumm.

Eliana will Rache. Javid und Tan haben ihre Eltern in dem Dönerladen umgebracht. Die waren einfach zum falschen Zeitpunkt am Flaschen Ort. Doch Eliana sinnt nach Vergeltung. Carson ist ihr gutes Gewissen. Er will nicht, dass die reine Seele Elianas verdunkelt wird durch Mord. Also kommt er mit dem Vorschlag das Andere machen zu lassen. Der Ravioli essende Gott ist natürlich voll der Typ, der auf Rache steht. Ist eben Gott. Also kennt der auch genügend kranke Typen, die den Auftrag ausführen können.

Javid und Tan sind aber ebenfalls auf einem Rachefeldzug. Scheint ein Ding zu sein in diesem zukünftigen Europa ...

Die namengebenden Schneeflöckchen (Judith Hoersch) taucht nur kurz auf. Sie symbolisiert einen Engel, die Unschuld und die Versuchung zugleich. Dann ist da noch der selbsternannte Rächer Hyper Elektro Man (Mathis Landwehr), der durch Berlin rennt und böse Menschen richtet. Damit ist auch Eliana in sein Visier geraten.

Schneeflöckchen lief auf dem Fantasy Filmfest 2017, aber wieder so spät, dass ich passen musste. Der Streifen kann man sich mit Kumpels anschauen, die schräge Filme mit durchgeknallter Handlung mögen. Vielleicht ein Bierchen intus – dann wird der Film gut. Nüchtern betrachtet ist er auf alle Fälle interessant, hat lustige Einfälle und Gewalt "Made in Germany".

Dafür, dass der Film ein deutscher Film ist, ist er noch nicht einmal so schlecht. Ich bin ja bekanntlich kein Freund des deutschen Films ...