Filmplakat Auslöschung

8/10

"Ich dachte, ich wär' ein Mensch." — Auslöschung, 2018

Auslöschung

Besprechung

Die ehemalige Soldatin und jetzige Ärztin Lena (Natalie Portman) geht zusammen mit vier anderen Wissenschaft­lerinnen in den so genannten „Schimmer“. Dabei handelt es sich um eine Ausdehnung, die nun schon seit gut drei Jahren ganz langsam immer mehr Raum eines Nationalparks einnimmt. Niemand weiß, was der Schimmer ist oder was sich darin verbirgt. Es wurden bereits einige Forschungsteams und Soldaten, aber auch Tiere und Maschinen in den Schimmer geschickt. Nichts und niemand kam zurück. Außer Lenas Ehemann Kane (Oscar Isaac). Der Soldat war auf einer geheimen Mission und galt seit einem Jahr verschollen. Plötzlich steht er vor Lena.

Die Ärztin geht zusammen mit der Psychologin Dr. Ventress (Jennifer Jason Leigh), der Physikerin Josie Radek (Tessa Thompson), der Geomorphologin Cass Sheppard (Tuva Novotny) und der Sanitäterin Anya Thorensen (Gina Rodriguez) in den Schimmer. Lena macht das, weil sie erfahren hat, dass Kane der einzige Überlebende war – bevor er mit multiplem Organ­versagen zusammenbrach.

Der Schimmer hat seltsame Effekte auf die fünf Frauen. Zeit vergeht anders, Erinnerungen erlöschen. Überall sind seltsame Veränderungen in der Flora und der Fauna zu entdecken. Selbst Gebäude sehen aus, als wären sie verändert worden sein. Das erinnert Lena stark an Krebsgeschwüre, an unkontrollierten, mutierten Wachstum. Die fünf Frauen sind auch davon betroffen, doch ihre Reise ist noch nicht beendet, wenn Lena das feststellt.

Meinung von

Regisseur Alex Garland hat mit seinem ersten Kinofilm Ex Machina wohl bei vielen Zuschauern für große Überraschung gesorgt. Ich finde den Film großartig. Nicht so gut wie Arrival von Denis Villeneuve, aber schon sehr stark. Beide Filme zeigen, dass heutzutage Science Fiction gedreht werden kann, die nicht im Weltall spielt und nicht mit blutrünstigen Glibberaliens zu tun hat. Auslöschung basiert auf dem gleichnamigen Roman von Jeff VanderMeer. Wobei Garland, der auch das Drehbuch schrieb, sich nicht sklavisch ans Buch hielt, sondern viel mehr "aus der Erinnerung" schrieb und vor allem mit Bezug zu dem, was er beim Lesen gefühlt hat.

Wie bei Arrival wurde eine nicht-lineare Erzählweise gewählt. Wir springen also zusammen mit Lena in ihrer Geschichte vor und zurück. Da ist ihre Zeit mit Kane, bevor er auf seine Geheimmission ging. Wir sehen Lena, wie sie von einem Typen in Schutzanzug (Benedict Wong) in der "Area X" verhört wird zu den Ereignissen im Schimmer. Und dann natürlich die Reise von Lena und den anderen Frauen durch diese unheimliche Ausdehnung. Anfangs ist der Schimmer vor allem für großartige Lichtverhältnisse im Wald zuständig. Doch kaum bemerkt ist die gesamte Flora irgendwie fremd. Erst als Lena am Steg einer alten, halb versunkenen Fischerhütte bemerkt, dass dort viele, viele unterschiedlich aussehende Blumen sind, die alle aus der selben Wurzel zu stammen scheinen, wird auch uns etwas mulmig. Was stimmt hier nicht? Kurz darauf dann – nach einigen fiesen Schreckmomenten – auch noch schockierende Tatsachen aus dem Reich der Fauna.

Der Film wird langsam, ganz langsam unheimlich. Wir bewegen uns mit den Frauen durch den Schimmer und sehen Veränderungen außen, aber auch in den Wissenschaftlerinnen. Als Anya vollkommen durchdreht und die Mitstreiterinnen an Stühle fesselt, passieren noch schrecklichere Dinge. Beim Schauen dachte ich nur Na danke für die Albträume! Schon lange nicht mehr so etwas Schreckliches gesehen!!

Cass gibt Lena – und uns – im Grunde den ersten Anhaltspunkt, worum es im Film geht. Sie weiß, dass alle Teilnehmerinnen "kaputt" sind. Dr. Ventress spitzt das zu in diesem Zitat: Die wenigsten Menschen begehen Selbstmord. Aber fast jeder Mensch zerstört sich. Egal wie und wann in unserem Leben, wir zerstören uns alle.

Lena ist auf diese Reise gegangen, weil auch sie etwas zerstört hat und dies noch weiter vorantreiben will, wenn auch nicht bewusst. Wir machen das alle kaum bewusst. Sie hatte eine kurze sexuelle Beziehung zu ihrem Mitarbeiter Daniel (David Gyasi). Die Beziehung zu Kane war nicht mehr das, was sie mal war. Gewöhnung ließ die Liebe sterben und keiner der beiden Eheleute hat etwas dagegen getan. Als nun Kane, nachdem er schon als verstorben angesehen wurde, doch wieder auf der Matte steht, ist sie es ihm schuldig. Schuld treibt sie in den Schimmer.

Der Schimmer verändert alles. Er zerbricht die DNA von jedem Lebewesen und kombiniert sie mit anderem genetischen Material neu. Es geht in Auslöschung um Duplizierung, um Mutation und um Zerstörung – damit "einfach" ums Leben allgemein. Der Auslöser dafür ist etwas Außerirdisches. Das ist vom Himmel in einen Leuchtturm geknallt und von dort breitet sich der Schimmer aus. Wenn Lena den Leuchtturm erreicht, haben wir eine Reise von der uns bekannten Realität durch ein Gefilde der Veränderung hinter uns und befinden uns nun in einem völlig neuen, unbekannten, nicht begreifbaren Jetzt. Die Bilder, die wir hier sehen sind fantastisch und wahnsinnig zugleich. Das muss man sich mehrmals anschauen, beim ersten Ansehen bleibt wohl der Großteil von uns auf der Strecke. Dieses Ding, das wächst und verändert, ist wahrlich wie ein Krebs. Ein Alien ohne Agenda. Auch das verstört den Zuschauer.

Auslöschung ist keine leichte Kost. Er ist bildgewaltig und umwerfend. Schade, dass Paramount nicht den Mut hatte, den Film ins Kino zu bringen. Stattdessen haben sie ihn in die Netflix-Box eingesperrt. Den Film hätte man auf der großen Leinwand viel mehr genießen können. Der Film ist es auf alle Fälle wert, dass man ihn sich mal anschaut. Die Musik von Geoff Barrow und Ben Salisbury passt sehr gut zum Film. Sie ist dunkel, unheimlich und fremdartig.