Besprechung
Lucas Page (William Magnuson) ist zu einer gewissen Berühmtheit mit seinem YouTube-Kanal geworden. Hier schildert er die Geschichte, wonach er im Haus seiner Eltern eine Videokassette mit seinem Namen drauf gefunden hat. Das Video zeigt ihn als kleinen Jungen, der schläft. Eine dunkle Gestalt nähert sich ihm und gibt ihm etwas in den Mund. Lucas kann sich nicht daran erinnern und geht in seinen Folgen dem Geheimnis nach. Am Ende behauptet er, dass der hiesige Priester, Endicott Carr (John Gholson), diese Gestalt gewesen sein muss.
Lucas ruft eines Tages seine Schwester Lynn (Kelsey Pribilski) per Video-Call an. Lynn wohnt nicht mehr in der texanischen Kleinstadt Larkin. Sie vermutet, dass Lucas wieder irgendeinen Blödsinn vorhat. Er bittet seine Schwester um Hilfe. Er wird ihr ein Video vorspielen, dass sie aufnehmen soll, um ihm zu sagen, was dort passiert. Widerwillig stimmt sie zu.
In dem Video sieht man eine Straße in Larkin, Menschen, die plötzlich innehalten und ein Mann, der überfahren wird. Lynn will schon auflegen, als sie feststellt, dass Lucas in eine Art Trance gefallen ist. Sie macht sich auf den Weg, um dem geheimnisvollen Verhalten ihres Bruders, aber auch der Bewohner Larkins nachzugehen. Sie dokumentiert das Geschehen mit der Kamera.
Meinung von Nils
Ein Film, den man erst einmal verdauen muss. Da passiert viel und nichts. Zwischendrin musste der Typ neben mir seine Begleitung schlagen, weil der angefangen hatte zu schnarchen. Man Finds Tape stammt aus der Feder von Paul Gandersman sowie Peter S. Hall, die sich beide auch den Regie-Stuhl geteilt haben. Der Film ist eine Mischung aus "Found Footage" und Pseudo-Dokumentation. "Found Footage"-Filme sind meiner Meinung nach immer sehr anstrengend. Es finden seltsame Schnitte statt, die Kamera ist verwackelt, die Perspektiven oft extrem. Man Finds Tape ist nicht anders. Es werden "saubere" Interviews gezeigt, also Interviews, die unter Studiobedingungen geführt werden. Wir sehen Handkamera-Einstellungen, es gibt Überwachungsvideos in mieser Qualität, z.B. von irgendeiner Straßenecke. Zwischendurch werfen Gandersman und Hall noch Telefonmitschnitte und Textnachrichten ein um das Bild einer vollständigen Dokumentation zu liefern.
Es gibt ein Rätsel, das den Film vorantreibt, sehr langsam vorantreibt, aber immerhin. Das ist die Tatsache, dass nicht nur Lucas, sondern alle Bewohner von Larkin immer wieder in einen tranceartigen Schlaf verfallen. Wenn sie aufwachen, wissen sie nicht, was passiert ist, über einen Zeitverlust wird aber auch nicht geklagt. Das Leben kommt zum Stillstand und nach einer Weile geht es weiter, als wäre nichts gewesen. Dieses Rätsel wollen wir aufgelöst bekommen. Nur deshalb bleibt man im Kinosaal. Okay, ich habe von zwei Leuten mitbekommen, die das Savoy während der Vorstellung verlassen haben und nicht wieder zurückgekommen sind. Der Film zieht sich, die Figuren sind nicht sehr charismatisch — Gründe zu gehen.
Wenn dann die Auflösung kommt, geht es ziemlich schnell zu. Man muss sich das so vorstellen, dass man gefühlt eine Stunde lang in den Schlaf gelullt wird und die letzten 20 Minuten wird man plötzlich gegen eine Wand geschmissen, die vorher nicht da war. Das ist dann so abgefuckt wie z.B. John Dies at the End. Nur nicht so lustig.
Als der Film zu Ende war, war ich schon beinahe aus dem Saal raus, als ein Video-Interview mit den Regisseuren gezeigt wurde. Also stehen geblieben und zugeschaut. Das Interview war wie Sekundärliteratur. Erst durch die Einblicke durch sowie die Erklärungen von Gandersman und Hall ergab der Film "Sinn". Es wird zwar von der ersten Minute an erzählt, es erschließt sich einem aber nicht — bis zur Sekundärliteratur.
Das Regisseur-Duo stellt sich und uns die Frage, wie Monster in der modernen Zeit aussehen könnten. In einer Zeit, wo an jeder Ecke eine Überwachungskamera hängt, wo jeder eine Kamera in der Hosentasche mit sich führt (und diese bei jedem noch so kleinen Scheiß zückt und draufhält) — wo können sich da die Monster noch bewegen? Das Bewegtbildmaterial des Sasquatch oder das unscharfe Bild von "Nessie" stammen aus einer Zeit, wo man dem Überbringer des Beweises glauben musste — oder nicht. Bigfoot, Nessie und Co. konnten den Großteil ihrer Zeit unentdeckt bleiben. Wie soll das heutzutage noch gehen?
Gandersman und Hall erklären das so, dass ein modernes Monster "zwischen dem Filmmaterial" oder "zwischen den Momenten" leben muss. Daher die Aussetzer bei der Bevölkerung von Larkin. Hier kann das Dunkle sein Unheil stiften. Jeder weiß um den Unfall, bei dem ein Mitbürger ums Leben gekommen ist, niemand hat den eigentlichen Vorfall gesehen. Hier setzt das Monster von Man Finds Tape an. Was wir da sehen, ist dann komplett durchgedreht.
Auch nur aufgrund des Interviews weiß ich, dass das Duo zunächst den Film wie im Skript steht, geschnitten hat. Dann sahen sie, dass das Ergebnis zu geradlinig war und so keine Dokumentation erzählt würde. Also haben sie alles zerhackstückelt, neu zusammengefügt und die Sequenzen mit den Anrufmitschnitten, bzw. den Textnachrichten nachträglich eingefügt. Gandersman meinte, dafür mussten die Schauspieler nicht einmal reinkommen. Das fand alles per Video-Call statt.
Fazit: Nur mit dem Hintergrundwissen, das ich jedoch erst nach dem Film erhalten habe, und dem Willen einen völlig durchgedrehten Schluss zu sehen, kann man sich Man Finds Tape anschauen. Wie gesagt: Menschen sind gegangen oder eingeschlafen ...