Filmplakat Light of My Life

8/10

"It's okay, dad. It's a love-adventure ..." — Light of My Life, 2019

Light of My Life

Besprechung

Gut zehn Jahre ist es her, seitdem die Frauen fast ausgestorben sind. Ein Virus hat diese so gut wie alle dahingerafft und eine Welt voll Männer zurückgelassen. Hier wandert ein Vater (Casey Affleck) mit seiner elfjährigen Tochter Rag (Anna Pniowsky) durch die Wälder. Der Vater hält seine Tochter möglichst von anderen Männern fern. Wenn sie doch mal in eine Stadt müssen, muss sich Rag als ein Junge ausgeben. Vater und Tochter üben immer wieder „Rotalarm“, also das Verhalten im Notfall.

Rag hat noch nie ein anderes weibliches Wesen gesehen. Nur in den Gute-Nacht-Geschichten ihres Vaters kommen stets starke Frauen vor. Das Mädchen steht kurz vor der Pubertät, das heißt sie wird aufmüpfig. Sie hinterfragt immer öfter die Handlungen ihres Vaters. Eigentlich möchte Rag endlich irgendwo sesshaft werden und sich als das ausgeben können, was sie ist: ein Mädchen.

Das Verhältnis zwischen Vater und Tochter wird anstrengend, dabei möchte der Vater Rag, seine einzige, ihm gebliebene Liebe, beschützen. Er kann niemandem trauen.

Meinung von

Casey Affleck schrieb dieses kleine Stück und führte Regie. Nach dem seltsamen Film I'm Still Here ist das seine zweite Regiearbeit. Die Geschichte ist simpel: es gibt keine Frauen mehr – im Grunde ist das so ähnlich wie in Children of Men, wo die Menschheit keinen Nachwuchs mehr hat zeugen können und vor dem Untergang steht.

Während in Alfonso Cuaróns intensiven und dystopischen Film keine Hoffnung mehr vorhanden zu sein scheint, haben sich die Männer in Light of My Life mit der Situation abgefunden. So scheint es. Die Hoffnung ist die, dass Rag mit ihrem Vater alt werden kann und ihr kein Leid geschieht. Abgesehen davon kursieren Gerüchte, dass es noch Frauen gibt.

Eine Welt nur mit Männern ist das, was man sich darunter vorstellt: Misstrauen überall. Jeder kann derjenige sein, der einem etwas wegnimmt. Nach dem Virusausbruch scheint es keine Gesetze mehr zu geben. Häuser werden einfach besetzt und auch wieder weggenommen. Wie sagt es der namenlose Vater doch so schön: die Welt ist nicht in Balance. Das ist nichts Gutes.

Der Vater erfindet für seine Tochter Geschichten. Sie mag nur nicht mehr Geschichten über "starke, kleine Mädchen" hören, denn es gibt anscheinend nur noch eines davon.

Die Liebe des Vaters zu seiner Tochter ist so groß, dass er alles für sie tun würde. Dennoch muss er auch streng sein. Wenn die beiden in einem verlassenen Haus unterkommen und Rag vom verstorbenen Mädchen, das zuvor dort gelebt hat, Kleidungen findet, möchte sie diese tragen. Nichts darf darauf hindeuten, dass Rag ein Mädchen ist. Es wird nie ausgesprochen, worin die Gefahr genau besteht, aber der Zuschauer weiß, wovor sich der Vater fürchtet. Rag kann das alles nicht verstehen. Ihr Vater versucht Übel von ihr fernzuhalten. Aber schließlich muss er dann doch noch durch "das Gespräch".

Der Film ist sehr intensiv und vor allem intim. Wir begleiten Vater und Tochter, es gibt wenig Musik, nahe Aufnahmen. Vor allem am Anfang erinnerte mich die Situation im noch grünen Wald an Leave No Trace. Auch hier ist der Zuschauer eine Art Voyeur und mitten in einer Vater-Tochter-Beziehung.

Light of My Life ist ganz bestimmt nicht Jedermanns Kost. Er ist ruhig, melancholisch und von einer Leere erfüllt. Die Landschaften sind leer. Häuser sind leer. Die Herzen der Männer sind leer. – Zum Glück gibt es auch Ausnahmen. Vater und Tochter fliehen in den Norden zu seinen Großeltern. Nur sind die nicht mehr da. Drei ältere Männer haben sich vor vier Jahren hier eingenistet. Weil es draußen bitter kalt ist, gewähren sie den Gästen Unterschlupf. Kann der Vater endlich einmal loslassen und jemandem vertrauen ...?

In dem Film gibt es keine Verfolgungsjagden, keine Schießereien, oft auch nur spärliche Dialoge. Man muss also schon ruhige Filme mögen, oder zumindest sich auf solche einlassen. Bei Light of My Life hat es sich gelohnt. Die Schlussszene und der Schlusssatz sind herzzerreißend.

Hut ab vor den schauspielerischen Leistungen der beiden Hauptdarsteller. Schön übrigens, dass im Abspann Anna Pniowsky vor Casey Affleck genannt wird.