Filmplakat Coco

8/10

"Sollen wir ihm sagen, dass es im Land der Toten keine Toiletten gibt?" — Coco, 2017

Coco

Besprechung

Miguel (Anthony Gonzalez) stammt aus einer Familie, die seiner Meinung nach verflucht ist. Sein Ururgroßvater war ein bekannter Musiker, der für seine Karriere seine Frau und seine Tochter verlassen hat. Daraufhin hat seine Frau Imelda (Alanna Ubach) das Schusterhandwerk gelernt und die Musik aus ihrem Leben und eigentlich dem Leben der gesamten Familie verbannt. Nun könnte das soweit in Ordnung sein, aber Miguel liebt die Musik und eifert heimlich seinem Idol Ernesto de la Cruz (Benjamin Bratt) nach. Der kleine Junge singt im Verborgenen die Klassiker des alten Filmstars.

Durch einen dummen Zufall landet Miguel am „Tag der Toten“ im Reich der Toten. Hier trifft er auf seine verstorben Vorfahren. Die erkennen den Jungen von ihren Besuchen im Reich der Lebenden. In das kommen alle Toten an besagtem Tag, wenn jemand von ihnen ein Foto auf einer Ofrenda, einem Totenaltar, aufgestellt hat. Miguels Ururgroßmutter Imelda schickt ihn ins, Land der Lebenden – unter der Bedingung, dass er nie wieder Musik spielt.

Das kann Miguel nicht. Dafür liebt er die Musik zu sehr. Bis Sonnenaufgang muss er einen anderen Vorfahren finden, der ihm vergibt, damit er zu den Lebenden zurückkehren kann – am besten jemand, der wie der Junge Musik mag: Ernesto. Kurz vor seinem Übergang ins Reich der Toten hat Miguel entdeckt, dass sein Idol sein Vorfahre ist. Bei der Suche nach Ernesto bekommt der Junge Hilfe von Héctor (Gael García Bernal), der verzweifelt in die Welt der Lebenden will.

Meinung von

Ah, wie ich Pixar dafür hasse. Coco fängt ganz harmlos an. Der kleine Miguel erzählt die Hintergrundgeschichte mit dem musikalischen und nun verhassten Vorfahre. Alles mit netten Scherenschnitten dargestellt. Dann sehen wir die Figuren, lernen Miguel kennen, seine Liebe für die verbotene Musik, seine herrische Oma und die Familie, die geschlossen hinter dem Musik-Bann steht. Alle in der Familie machen Schuhe. Da muss jeder mitmachen. Das ist geradezu Schicksal. Die Idee ist sehr schön. Der mexikanische Brauch des "Tag der Toten" wird einem breiten Publikum nahe gebracht. Die Figuren sind alle liebenswert – vor allem Dante, der nackte Hund mit der langen Schlapperzunge (der mich übrigens aufgrund seines treu-trotteligen Blicks an einen ehemaligen Freelancer von mir erinnert).

Miguel ist gefangen zwischen der Familienpflicht und -tradition. Familie ist das große Ding in Coco. Wie sehr darf sie einen in Beschlag nehmen, wie viel Loyalität muss man ihr gegenüber erbringen und wie viel freien Raum zur Entfaltung hat man wirklich? Das sind die großen Fragen, die sich Miguel stellen.

Er muss innerhalb eines Tages jemanden finden, der ihm den Übergang ins Reich der Lebenden gewährt, sonst ist er für immer bei den Toten gefangen. Da er jedoch mit seiner Ururgroßmutter nicht umgehen kann – da sie Musik hasst – macht er sich auf die Suche nach Ernesto.

Da man einen kleinen Jungen nicht alleine unter den Toten herumlaufen lassen sollte, stellt Pixar ihm den schelmischen und ewig lügenden Héctor an die Seite. Der wird Miguel ein wahrer Freund, auch wenn es erst einmal einige Arbeit kostet.

Es wäre nicht Pixar, wenn sie nicht noch einen Monster-Plot in der Geschichte hätten. Und ein wahres Tränenfest am Ende des Films. Ja, meine Nase lief auch nicht nur wegen der Kälte im Kinosaal. Und die Augen hatten zudem eine – sagen wir mal – erhöhte Feuchtigkeit. Das ist es, weshalb ich sie hasse. Einen erwachsenen Mann zum Schluchzen bringen. Wo sind wir denn hier? Aber sie schaffen es jedes Mal, mit Bits und Bytes Emotionen zu erzeugen; das letzte Mal bei Alles steht Kopf, aber auch bei Findet Dorie. Das können sie echt ...

Familie ist etwas seltsames. Traditionen ebenfalls. Und die Liebe zu den Kindern, beziehungsweise zu den Ahnen. Das ist – ganz drastisch reduziert – der Inhalt des Films.

Coco hat also eine schöne Geschichte, plätschert aber lange Zeit vor sich hin. Er ist lustig und gut gemacht, aber er "haut nicht rein". Erst das Ende reißt das Ruder herum und hinterlässt einen Eindruck.

Ich war übrigens etwas verwirrt, dass die titelgebende Coco steinalt ist und kaum ein Wort redet, geschweige denn viel Leinwandpräsenz hatte.