Filmplakat Wer ist Hanna?

8,5/10

"Sometimes children are bad people too." — Wer ist Hanna?, 2011

Wer ist Hanna?

Besprechung

Irgendwo in einer Eislandschaft, da lebt die 14-jährige Hanna (Saoirse Ronan) zusammen mit ihrem Vater Erik (Eric Bana), der sie seit ihrer Kindheit zum Überleben und Töten ausbildet. Mittlerweile ist Hanna so alt, dass sie „bereit“ ist. Erik macht sich auf den Weg nach Berlin. Hanna lässt sich von der CIA gefangen nehmen.

Sie findet sich in einer geheimen Anlage in Marokko wieder. Sie wird verhört. Hanna verlangt nach Marissa (Cate Blanchett). Eine andere Agentin wird zu Hanna in die Zelle geschickt — und von dem Mädchen getötet. Hanna flieht. Ihr Auftrag lautete, die Mörderin ihrer Mutter umzubringen. Hanna denkt, sie hat ihre Aufgabe erfüllt. Nun will sie sich mit ihrem Vater in Berlin treffen.

Doch Marissa ist noch da und macht Jagd auf Erik, den abtrünnigen CIA-Agenten. Um an Erik heranzukommen, hetzt sie Hanna Isaacs (Tom Hollander), einen Auftragskiller, -folterer bzw. -sadisten (oder wie man den auch immer nennen mag) auf den Hals. Zusammen mit seinen zwei Skinheads verfolgt er Hanna, die kurzfristig bei einer reisenden Familie Unterschlupf finden kann.

Meinung von

Ein sehr interessantes Stück Zelluloidbelichtung. Der Film fängt ruhig an. Weite Schneelandschaften, immer wieder Einzelkämpfe zwischen Hanna und ihrem Vater. Das braucht Zeit. Mir gefiel es, die Spacken hinter uns waren der Meinung, man könne sich derweil unterhalten.

Wenn Hanna aus der geheimen Anlage flieht, wird der Zuschauer mit aller Wucht ins Gesicht geschlagen. Gewalt, schnell, präzise, unerwartet — da ging das Publikum mit. Alles untermalt von der sehr ungewöhnlichen, aber absolut passenden Musik der Chemical Brothers. Keine orchestralen Streicherergüsse, sondern harte Beats. An manchen Stellen fing die Musik etwas an zu nerven, unterm Strich war sie jedoch super gewählt und leistete ihren Teil zur Stimmung bei.

Als Marissa sich Hilfe sucht — um Dinge zu machen, die ihr ihre Agency nicht erlaubt —, hatte der Film Heimvorteil. Das Kino jubelte — sahen wir doch in einem US-Film unsere Reeperbahn. *wh00t* Allerdings schlich sich schnell bei mir ab dieser Stelle eine schlechte Grundstimmung dem Film gegenüber ein. Zunächst: Warum musste der deutsche Bösewicht von einem Nicht-Deutschen gespielt werden? Hannas Großmutter (Gudrun Ritter) wurde auch von einer Deutschen gespielt. Hätte es (im Original) etwas authentischer gemacht. Und es hätte die Tatsache etwas kaschieren können, dass die Amis ein absolut stereotypisches Bild der Deutschen haben: Sind es nicht die Lederhosen, ist es schräg, verkommen, rechtsradikal, "Berlin am Arsch".

Das nervte mich den ganzen Film über. Auch noch danach. Erst mit eine wenig Abstand, nahm meine Wut ab. Man muss Hanna wie ein Märchen sehen. Hanna selber hat auch ein Buch mit Grimm'schen Märchen, das sie seit ihrer frühsten Kindheit besitzt. Wenn Isaacs bei der britischen Familie nachts ins Zelt schaut und der kleine Sohn vom Schein der Taschenlampe geweckt wird, beschwichtigt der Bösewicht mit "Es ist nur der Sandmann …" Das Treffen im verlassenen Themenpark mit Herrn Knepfler (Martin Wuttke), dem Wächter des Parks, Marissa, die als Hexe bezeichnet wird und schließlich die Szene, in der Cate Blanchetts Charakter aus dem Maul des Wolfes kommt — alles deutliche Anspielungen an Märchen. So kann ich dann auch über die dumme Sichtweise der Deutschen als Skinheads, durchgeknallte Psychos oder verrückte Penner, die vorm Kiosk *lalala* trällern hinwegsehen.

Hanna kann begeistern, auch wenn ihm zunächst ein schaler Beigeschmack anhaftet. Dieser verfliegt in der nachträglichen Betrachtung des Films und schon ist der Film wieder aufgewertet.

Saoirse Ronan spielt toll. Sie macht sich. Schon in In meinem Himmel hinterlässt sie einen guten Eindruck. Cate Blanchett ist bereits gut. Ihre Darstellung als auf Zahnhygiene fixierte, kaltherzige Agentin ist sehenswert. Bana kommt blass herüber, aber er ist auch keine Hauptfigur. Muss man mal sagen.

Ein wirklich sehenswerter Film, den uns der britische Regisseur Joe Wright da zeigt. Untermalt mit der elektrischen Bumm-Bumm-Musik der Chemical Brothers macht Hanna noch einmal soviel Spaß. Er ist nichts für Menschen, die gerne denken, kleine Mädchen sind nur lieb und nett und spielen ausschließlich mit Puppen. Hanna ist eine kleine blonde Kampfmaschine, die völlig weltfremd aufgewachsen ist und von Elektrizität oder Musik überfordert ist. Sie ist stark und doch zerbrechlich.

Wermutstropfen: Das dumme Publikum im Streit's (†), das nicht ruhig sein kann und für das eine Szene wie die zarte Beziehung zwischen Hanna und ihrer ersten und einzigen Freundin "zu hoch" ist — was wieder einmal durch dümmliches, rhythmisches Geklatsche bewiesen wurde. In solchen Momenten denkt man sich: "Warum nicht lieber warten und zuhause in Ruhe im Heimkino schauen? Scheiß auf Kino …"