Filmplakat Türkisch für Anfänger

6/10

"Tja, manche Erziehungsexperimente gehen eben schief." — Türkisch für Anfänger, 2012

Türkisch für Anfänger

Besprechung

Lena Schneider (Josefine Preuß) ist 19 Jahre alt. Ihre Mutter Doris (Anna Stieblich) ist Therapeutin, hat Lena aber so was von antiautoritär erzogen und gibt Orgasmen-Kurse zu Hause. Lena ist im Grunde immer angepisst. Sie hat auch noch keinen Sex gehabt, also ist ihre schlechte Laune durchaus verständlich. Mutter und Tochter reisen nach Thailand. Auf dem Weg dorthin stürzt das Flugzeug ab. Eine Notlandung später findet sich Doris in einem schönen Hotel wieder. Lena hingegen befindet sich mit dem chauvinistischen Vollproll Cem Öztürk (Elyas M’Barek), dessen streng muslimisch erzogenen Schwester Yagmur (Pegah Ferydoni) und dem stotternden Costa Papavassilou (Arnel Taci) auf einer einsamen Insel wieder.

Während sich Doris amüsiert, lernt sie den Vater der Öztürk-Kinder kennen. Metin Öztürk (Adnan Maral) ist Polizeibeamter und deutscher als so mancher Deutsche. Er findet das Verhalten von Doris nicht gut. Er versucht sie kennenzulernen, aber die Mittvierzigerin möchte lieber aufs Discoboot. Derweil muss sich Lena vor allem mit dem frauenfeindlichen Verhalten von Cem rumplagen. Aber auch die Hitze, die Sonne, die Kannibalen auf der Insel, die schlechten sanitären Verhältnisse und Lenas Kirschunterwäsche machen der jungen Frau zu schaffen.

Doris und Metin kommen sich am Ende näher, was Lena, als alle gerettet sind, mal so gar nicht lustig findet.

Meinung von

Ich mochte die Serie. Die lief von 2006 bis 2008 im Ersten. Sie spielt mit den typischen Bildern von den Assi-Türken und den ordentlichen Deutschen, bringt das aber alles fröhlich durcheinander. Auch in der Serie ist Metin Polizist. Er ist für Ordnung und Sauberkeit. Doris hingegen steht für Chaos und Alt-Hippietum. Bei so einer Mutter musste eine Tochter herauskommen, die völlig verkorkst ist. Cem hingegen ist der Vollidiot aus Berlin. In der Serie leben die Familien bereits zusammen, weil Metin und Doris geheiratet haben. Autor und Regisseur Bora Dagtekin hat all die Elemente genommen, die die Serie so charmant gemacht haben, pumpte sie auf, ordnete sie neu an. Heraus kam der Film Türkisch für Anfänger.

Den Film kann man als eine Art Reboot der Serie ansehen. Die Figuren müssen hier nur innerhalb viel kürzerer Zeit zueinander finden. Da bietet sich ein Absturz und eine isolierte Insel bestens an. Lena ist eine frustrierte junge Frau. Ihre Kindheit war nicht gerade normal mit dieser Mutter. Sie musste stark sein, unabhängig. Cem ist nicht die beste Medizin für sie – oder eben doch.

Autor/Regisseur Bora Dagtekin wollte seine Zutaten nehmen und fürs Kino "größer" machen. Mit einem guten finanziellen Polster lässt sich das machen. Die Crew drehte in Thailand. Was in der Fernsehserie gefiel, wurde auch in den Film übernommen. Josefine Preuß spielt ihre Lena leicht störrisch, oft mit großen Augen. Die Welt, die sie außerhalb des Mutterhaushalts erlebt, ist ihr oft fremd. Lena hält sich gerne für überlegen. Der Umgang mit Cem und Co. erdet sie dann doch. Die Gegensätze der sozialen Schichten und der Kulturen machen den Reiz aus.

Ja, es gibt Kritiken an den stereotypischen Bildern, vor allem an der Darstellung des Cem. Der ist der "typische" Deutsche mit Migrationshintergrund. Der pumpt um Muskeln zu bekommen, Frauen sind nur Lustobjekte und die Karriere vom Aggro-Hip-Hopper ist schon geplant. Sein Lied ist literarisch sechs Fuß unter der Erde. Serie und Film zeigen, dass Cem nicht auf diesem Level bleibt. Sein Vater ist ein durch und durch deutscher Beamte. Sein Elternhaus, kombiniert mit Lenas Sicht der Welt holen auch Cem auf den Boden der Tatsachen. Hätte ein Anderer als Dagtekin so einen Film gemacht, hätte der nie das Tageslicht erblickt, sondern wäre sofort in irgendeinem dunklen Archiv versteckt worden.

Nicht ganz so "politisch korrekt" ist dann das dümmliche Bild der kanibalistischen Einwohner der Insel, auf der Lena und Co. gestrandet sind. Tongo und Bongo? Wirklich?

Die Charaktere sind in ihrer Überzeichnung alle charmant und man schaut ihnen gerne zu. Dass sich Lena und Cem finden, wusste man aus der Serie, aber auch ohne das Hintergrundwissen, ist es sehr schnell klar, wohin die Reise mit den beiden Heranwachsenden geht. Da ist, wie in vielen Filmen schon gesehen, das große Missverständnis, das natürlich zu Schwierigkeiten führt. Cem meint noch am Anfang des Insellebens, dass er Lena poppen wird. Als dann aber Gefühle ins Spiel kommen, ist das nicht mehr alles, was Cem im Kopf hat. Lena bekommt von der Wette der Jungs mit, ... blablabla. Sehr vorhersehbar. Macht aber nichts, bringt trotzdem Spaß der Film.