Filmplakat Loving Vincent

8/10

"Sie wollen so viel über seinen Tod wissen, aber was wissen sie von seinem Leben?" — Loving Vincent, 2017

Loving Vincent

Besprechung

Ein Jahr nach dem Tod von Vincent van Gogh (Robert Gulaczyk) wird ein Brief van Goghs an seinen jüngeren Bruder Theo (Cezary Lukaszewicz) gefunden. Der Postbeamte Joseph Roulin (Chris O’Dowd) beauftragt seinen Sohn Armand (Douglas Booth) damit, den Brief direkt zuzustellen. Bisherige Versuche den Brief an Theo zu schicken sind gescheitert. Armand sieht nicht ein, wieso er das machen soll, geht aber schließlich doch auf Reisen.

Der junge Mann muss feststellen, dass Theo mittlerweile verstorben ist. Deshalb wurde der Brief nie angenommen. Armand lernt im Folgenden einiges über Vincent van Gogh. Er reist weiter nach Auvers, wo Vincent seine letzten Monate verbrachte und sehr viele Gemälde geschaffen hat.

In dem kleinen Örtchen kommt Armand in einem Gasthof unter, in dem auch Vincent einquartiert war. Die junge Gastwirtstochter Adeline Ravoux (Eleanor Tomlinson) erzählt Arman von Vincent, aber auch von dem zwielichtigen Dr. Gachet (Jerome Flynn), der den Maler behandeln sollte. Armand fragt sich durchs Dorf und hört immer wieder andere Geschichten, wieso van Gogh und wie van Gogh gestorben ist. Armands Neugierde ist geweckt und er forscht immer weiter, wobei er auch auf diverse Widerstände stößt.

Meinung von

Die polnische Künstlerin Dorota Kobiela hatte die Briefe von van Gogh gelesen und war begeistert von ihrer Schönheit. Sie wollte der Person van Goghs nachgehen, seine letzten Monate in Auvers beleuchten und mit ihrem Film das Publikum an van Gogh erinnern. Das hat sie geschafft – sofern man auf diesen kleinen Film aufmerksam wurde und ihn gesehen hat.

Die Umsetzung der Geschichte ist großartig. Dafür hat Living Vincent auch eine Oscar-Nominierung für den besten Animationsfilm erhalten. Kobiela ist einen ungewöhnlichen Weg gegangen. Die Schauspieler haben ihre Szenen gespielt, meistens vor Greenscreen. Im Nachhinein wurden die Filmszenen als echte Ölgemälde ganz im Stil von Vincent van Gogh umgesetzt. Über 100 Künstler, die alle den Strich von van Gogh nachahmen konnten, malten rund 66.960 Bilder. Diese wurden dann animiert.

Dabei sehen wir ganz, ganz viele alte Bekannte wieder: Wie beiläufig streut Kobiela berühmte Gemälde des niederländischen Malers in die Handlung ein. Armand geht zum Beispiel am Anfang des Films in das Café aus "Caféterasse bei Nacht". Hier setzt er sich in das Gemälde "Das Nachtcafé", wo er wie andere Insassen dieses Bildes ins Alkoholkoma fällt. Oder wenn Armand Dr. Mazery (Bill Thomas) aufsucht, ist sein erstes Erblicken das des Mannes, wie er in der Haltung aus dem Gemälde "An der Schwelle zur Ewigkeit" auf dem Stuhl sitzt. Das ist alles sehr raffiniert gemacht.

Der Film hat noch Rückblenden, wenn z.B. Dr. Gachet oder Adeline Ravoux etwas aus dem Leben des Vincent van Gogh erzählt. Hier wird nicht auf bekannte Bilder zurückgegriffen. Die Animationen sind in schwarz-weiß gehalten und haben einen nicht-expressionistischen Strich.

Die Geschichte erzielt am Ende ihren Zweck. Man ist gefesselt und sieht einen Kriminalfilm. Armand geht in bester Detektivmanier umher und versucht die Wahrheit hinter dem Tod des Malers zu finden. Das ist spannend gemacht und nach dem Film muss man einfach noch einmal ein wenig zu van Gogh nachlesen. Loving Vincent macht also neugierig auf den Künstler.

Geschickt ist auch die Verquickung der Gemälde zu einer Geschichte. Als Hauptperson wurde dabei auf das relativ unbekannte Porträt von Armand Roulin gesetzt. Das Bild hängt im Museum Folkwang in Essen. Wir begleiten den jungen Mann in seiner gelben Jacke und sehen seinen Wandel von einem oberflächlichen Sohn hin zu einem Reisenden, der nicht nur die Wichtigkeit von van Gogh erkennt, sondern auch in dieser Suche einen Sinn findet.

Künstlerisch ist der Streifen super umgesetzt. Die Geschichte packt einen. Ich sage: Wenn man die Chance hat, den Streifen zu sehen, sollte man sich die Ruhe nehmen und ihn anschauen. Und sei es, damit man sagen kann, man habe ein "lebendiges Ölgemälde" gesehen. Ich hätte ihn jedenfalls gerne auf der großen Silberleinwand gesehen. Aber der lief nicht lange und zu blöden Zeiten.