Filmplakat Im Körper des Feindes

7/10

"Darf man in diesem Land keine garstigen Experimente mehr durchführen?" — Im Körper des Feindes, 1997

Im Körper des Feindes

Besprechung

Castor Troy (Nicolas Cage) ist ein Rent-a-Terrorist wie er im Bilderbuch steht. Für Geld macht er alles. Gerade hat er eine biologische Bombe in einem Kongresszentrum platziert. Vor sechs Jahren hat Castor versehentlich den Sohn von FBI-Agent Sean Archer (John Travolta) erschossen. Eigentlich wollte er Archer getötet haben, weil der dem Terroristen so sehr auf die Pelle gerückt war. Archer nervt ungemein. Durch einen dummen Fehler von Castors Bruder Pollux (Alessandro Nivola) kann Archer endlich Castor aus dem Verkehr ziehen. Castor landet im Koma.

Weil das FBI mitbekommt, dass der Psychopath Castor vor seinem vermeintlichen Tod – Archer weiß nichts vom Koma – eine Bombe gelegt hat, wird Archer doch noch einmal dazu geholt. Um an die Information zur Bombe heranzukommen, kommen FBI-Agentin Hollis Miller (CCH Pounder) und der plastische Chirurg Dr. Malcolm Walsh (Colm Feore) mit einer wilden Idee daher: Man kann das Gesicht von Castor mit dem von Sean tauschen. Ein bisschen Schnippel hier, ein bisschen Schnippel dort, schließlich einen Stimmmodulator implantiert und schon kann Sean als Castor in den Knast, um bei Brüderchen Pollux die letzten Infos rauszukitzeln. Niemand außer einem äußerst engen Kreis beim FBI weiß von der Sache.

Archer lässt sich auf das Experiment ein und wird in ein Hochsicherheitsgefängnis gesteckt. Hier herrschen keine Gesetze. Amnesty International weiß nicht einmal, dass es dieses Gefängnis gibt. — Derweil wacht Castor aufgrund des Schocks durch die Gesichtstransplantation aus dem Koma auf. Weil der Mann von heute nicht ohne Gesicht rumlaufen kann, lässt sich Castor Seans Gesicht (und seine Fettpolster) implantieren. So wandelt der gefährliche Terrorist frei herum und niemand ahnt, wer er ist.

Meinung von

Ich kann es mir lebhaft vorstellen. Die Leute vom Filmstudio wollten Geld machen. Also wurde ein Meeting einberufen. Wer war damals gerade hoch im Kurs? Nicolas Cage stand hoch im Kurs. Er hatte mit Leaving Las Vegas einen Oscar gewonnen und damit ging sein Stern rasend schnell in die Höhe. Dann kam der Action-Kracher The Rock, gefolgt von noch einem Kracher, nämlich Con Air. Was zeichnet Cage aus, hat man sich gefragt. Was können wir so richtig gut vermarkten? Na, er spielt doch gerne "over the top", völlig überdreht und irre! Lasst uns das ausnutzen.

Also hat der Studioboss vermutlich jedem drei Nasen Koks spendiert und dann sollte man sich etwas gaaaanz verrücktes ausdenken: Lasst ihn das Gesicht tauschen! So richtig. Gesicht rausschneiden und einem Anderen aufsetzen. Und alle jubelten. Die Geschichte zu Im Körper des Feindes war geboren.

Cage spielt wunderbar durchgeknallt. Man merkt, dass ihm diese Art des völlig aufgedrehten Schauspiels richtig Spaß macht. Hier fühlt er sich wohl. Einen wahnsinnigen Terroristen mit einem Monster-Ego zu spielen liegt ihm einfach im Blut. John Travolta hatte seine Kuck' mal wer da spricht!-Phase hinter sich gelassen. Mit dem zu Unrecht gelobten Schnarchfest Pulp Fiction erlangte er noch einmal kurzen Ruhm, ehe er sich ins Syontologie-PR-Geschäft begab. In Im Körper des Feindes wirkt der Nur Samstag Nacht-Star sehr blass. Travoltas Sean Archer ist weinerlich, fummelt sich ständig im Gesicht herum, was Travolta anscheinend als gutes Schauspiel interpretierte.

Die Geschichte von Im Körper des Feindes ist absolut schräg. Über Fragen wie "Geht das aus medizinischer Sicht?" muss man schnell hinwegsehen und sich stattdessen in den Strudel der Ereignisse ziehen lassen. Strubbelig ist der Film und er bringt Spaß. Beste Kopfausschaltware.

Der chinesische Regisseur John Woo hatte bereits einige amerikanische Filme gedreht, als man ihm Im Körper des Feindes anbot. Woo drückt dem Film seine spezielle Handschrift auf. Typisch für Woo – aber Filme aus der Zeit allgemein – ist der Seitwärtssprung mit doppeltem Pistolenfeuer. Ihr wisst, was ich meine. Und Tauben. Vor allem kurz vor dem Finale wenn Archers Chef Victor Lazarro (Harve Presnell), der von Castor in der Haut von Archer umgebracht wurde, beigesetzt wird. Was ist das für eine beschissene Kirche, die mitten am Strand liegt, zu einer Seite offen ist und gefühlt hunderte von Tauben reinlässt? Diese Ratten der Lüfte fliegen vor dem Altar rum. Hallo, Kammerjäger?!

Also Logik darf man nicht erwarten, ebenso wenig ein gutes Schauspiel von Travolta. Cage hingegen spielt sogar gut. Einerseits ist er der verrückte Terrorist, der narzisstischer nicht sein könnte. Dann aber, wenn er eigentlich Archer ist, hat er eine völlig andere Art des Spiels drauf. Cage wollte übrigens nicht im Film mitspielen, da er keine Lust hatte, schon wieder den Bösewicht zu mimen. Als er hörte, dass es einen Gesichtswechsel gibt und er den Großteil des Films eigentlich den Guten spielt, soll er sofort unterschrieben haben.

Nette Action-Kost aus den guten, alten 1990ern. Punktabzug für die Tauben.