Filmplakat Green Book: Eine besondere Freundschaft

8/10

"Die Welt ist voll von einsamen Menschen, die warten, dass der Andere was sagt." — Green Book: Eine besondere Freundschaft, 2018

Green Book: Eine besondere Freundschaft

Besprechung

New York im Jahre 1962. Weil das Copacabana für zwei Monate schließen muss, braucht der Türsteher Tony Vallelonga (Viggo Mortensen) eine neue Geldeinnahmequelle. Immerhin hat er Frau Dolores (Linda Cardellini) und zwei Kinder zu ernähren. Tony hat, wie alle seine Freunde, große Vorurteile und eine Abneigung gegen Farbige. Weil er aber den Job braucht, nimmt er die Stelle als Fahrer für Dr. Donald Shirley (Mahershala Ali) an. Der Doktor ist ein afro-amerikanischer, sehr gebildeter Pianist. Shirley will mit seinem Trio eine Tour durch die Südstaaten machen.

Tony ist zunächst extrem reserviert, kann aber im Talent des Dr. Shirley etwas Großes sehen. Selbst diesen einfachen Mann aus der Bronx spricht das Klavierspiel von Shirley an, es berührt ihn. Der Doktor hingegen sitzt auf der Rückbank des Wagens und schaut auf Tony herab.

Der Schläger erkennt, dass Shirley ein einsamer Mann ist. Oft sitzt der abends alleine und trinkt vor Kummer. Mit der Zeit erkennt Tony, wieso das so ist. Shirley wird wie der letzte Dreck behandelt. Tony hat von der Plattenfirma sogar ein „Green Book“ erhalten, einen Reisebegleiter, der Auskunft darüber gibt, wo ein Schwarzer im Amerika der 1960er „ohne Schwierigkeiten zu bekommen“ unterkommen kann.

Zwei Monate sind eine lange Zeit, in der sich die beiden unterschiedlichen Männer besser verstehen lernen.

Meinung von

Donald Shirley gab es tatsächlich. Leider ist nicht allzu viel über ihn bekannt. Vieles ist nur von Shirleys Booklets bekannt, die er selber schrieb. Tony Lips Sohn Nick Vallelonga schrieb das Drehbuch mit. Nick steuerte Geschichten bei, die er von seinem Vater gehört hatte, der auch im wahren Leben der Fahrer für Dr. Shirley in den besagten zwei Monaten war.

Ich bin, wenn ich ehrlich bin, überrascht, dass man Peter Farrelly den Regiestuhl übergeben hat. Farrelly hat vorher eher schlechte Klamauk-Filme gemacht. Green Book behandelt ein ernstes Thema und ist außerdem ein Bio-Pic. Was herausgekommen ist, ist überraschend gut.

Tony ist eklig rassistisch. Nicht aggressiv, aber durchaus passiv aggressiv. Das war wohl absolut normal zu der Zeit. Offen rassistisch waren sie wohl auch. Es gibt negative Stimmen zu diesem Film. Verdrehte Rollen: ein gebildeter Afro-Amerikaner und ein simpler Italo-Amerikaner. Unterschiedlicher könnten sie nicht sein, aber der eine benötigt einen weißen Fahrer, der andere das Geld. Sie sind aufeinander angewiesen. Natürlich werden sie Freunde. Friede, Freude, Eierkuchen. Das ist Hollywood pur. Die Verwandten vom echten Dr. Shirley sagen, das sei damals so nicht abgelaufen.

Ein heikles Thema. Green Book zeigt zum einen, wie beschissen die Zeit damals war. Das "Green Book" gab es wirklich. Es war eine Zusammenstellung von Unterkünften, in denen sich Farbige aufhalten durften. Das ist erniedrigend. Ist erst einmal die Grundlage gelegt, darf sich die Geschichte ins Positive wandeln. So, wie wir das von Hollywood erwarten. Ob wahr oder fiktiv, man kann sich schon vorstellen, dass in der Zeit, in der die beiden Männer gemeinsam reisen, sich durchaus eine Art Freundschaft, oder zumindest eine Akzeptanz eingestellt haben mag.

Beide Schauspieler spielen bemerkenswert. Mahershala Ali, der für seine Darstellung einen Oscar als bester Nebendarsteller (!) bekam, gibt seinen Dr. Shirley überheblich und kühl. Das muss er sein, aus Selbstschutz. Für ihn, für einen gebildeten, hoch talentierten Afro-Amerikaner waren die Zeiten damals hart. Die Weißen wollten ihn hören, sie mochten seine Musik, doch wenn er abgeliefert hat, wurde er wieder zum "Tier", das draußen den Müll fressen darf. An den Tisch der Weißen durfte er nicht. Natürlich lässt das das Herz erkalten. Und weil die äußeren Umstände noch nicht zu reichen scheinen, hatte der Musiker auch noch homosexuelle Veranlagungen. Er ist einsam, trinkt abends – weil ihm nichts anderes übrig bleibt. Er versucht durch seine Art sich von den anderen Afro-Amerikanern abzuheben, auf dass die Gesellschaft "da oben" ihn akzeptiere. Doch sie tat es nicht.

Die Hauptrolle spielt natürlich der Weiße. Viggo Mortensen, der sich extra Pfunde angefressen hatte, wird in den Fokus der Geschichte gestellt. Der Film heißt Green Book, handelt also von einem Zeugnis amerikanischer Ungerechtigkeit gegenüber Afro-Amerikanern, aber der Weiße spielt die Hauptrolle. Na gut, Nick Vallelonga, Sohn vom echten Tony Lip, schrieb das Drehbuch und produzierte den Film. Da ist es nur natürlich, dass die weiße Sicht den Film beherrscht.

Trotz seines kontroversen Hintergrunds und trotz der Tatsache, dass das alles bestes Hollywood-Gedöns ist, mochte ich den Film. Das haben sie geschickt gemacht. Die Geschichte ist im Grunde vorhersehbar, sie bedient die üblichen Filmregister um zu wirken. Geht man einen Schritt zurück, könnte man fast behaupten, Green Book sei auch ein Produkt des Schuldgefühlskinos: Lasst uns eine traurige Geschichte um Rassenunterschiede nehmen und sich die ungleichen Männer versöhnen. Dann geben wir dem Film und dem Hauptdarsteller einen Oscar, so kann uns niemand Rassismus oder fehlende Vielfalt im Filmgeschäft Hollywoods vorwerfen. So haben wir ein sauberes Gewissen.

Ali bekam einen Oscar, Viggo Mortensen war für die beste Hauptrolle nominiert. Egal ob Neben- oder Hauptrolle: beide Männer haben sehr gut geschauspielert und ihre Rollen bestens ausgefüllt. Dafür gilt es den Hut zu ziehen.