Filmplakat Der Fremde im Zug

8/10

"Ich bin vielleicht etwas altmodisch, aber ich dachte Mord ist gegen das Gesetz!?" — Der Fremde im Zug, 1951

Der Fremde im Zug

Besprechung

In einem Zug lernt der Tennisspieler Guy Haines (Farley Granger) den selbsternannten Tu-nicht-gut Bruno Antony (Robert Walker) kennen. Bruno drängt sich dem jungen Mann auf. Schnell wird klar, dass Bruno viel über Guy weiß. So fängt er an, von Guys Eheproblemen mit Miriam (Kasey Rogers) zu reden. Auch weiß der seltsame Fremde von Guys Affäre mit der Senatoren-Tochter Anne Morton (Ruth Roman). Bei einem Abendessen will Bruno Guy das Geheimnis des perfekten Mordes verraten: Man tötet über Kreuz!

Bruno macht Guy den Vorschlag, er könne Miriam umbringen, dafür müsste Guy Brunos verhassten Vater ins Jenseits befördern. Guy sieht das als Spinnerei an und verabschiedet sich.

Bruno aber nimmt das als Aufforderung. Seinen Teil der Abmachung hält er ein. Nun muss Guy seiner Pflicht nachkommen.

Meinung von

Alfred Hitchcock hat mit Der Fremde im Zug seinen ersten Film für Warner Brothers abgeliefert. Der Film basiert auf dem Erstlingswerk der amerikanischen Schriftstellerin Patricia Highsmith. Hitchcock war so sehr angetan von dem Stoff, dass er ihn verfilmen wollte. Eigentlich geht es wohl darum, dass ein Unschuldiger dazu gezwungen wird, ein Verbrechen zu begehen, was im Buch wohl auch passiert. Hitchcock hingegen lässt seinen Protagonisten in eine aussichtslose Situation schlittern und den Zuschauer lässt er im Ungewissen, ob der Verzweifelte zum Täter wird oder nicht - was typisch für Hitchcock ist. Der Zuschauer stellt sich die Frage, ob Haines nachgibt und den Mord an Antonys Vater begeht, nur um aus dem Griff Antonys zu gelangen. Das macht die Spannung des Films aus.

Farley Granger und Robert Walker kenne ich beide nicht. Aber Walker, der kurz nach dem Film starb, war wohl in früheren Filmen sehr auf die Rolle des Guten fixiert. Hitchcock lässt ihn den Bösen, den Irren spielen und diese Rolle füllt Walker großartig aus. Er wird nicht laut, nicht aggressiv - dennoch ist er gefährlich und unheimlich. Herausragend ist die Szene mit Anthony, als er im Publikum bei einem Tennismatch sitzt. Alle Zuschauer bewegen die Köpfe von links nach rechts, dem Ball folgend. Nur Antony sitzt unbeweglich da und beobachtet Haines. Klasse Einstellung. Antony gilt als der erste Stalker im Film.

Der Film ist spannend! Keine Frage. Hitchcock kann aus allen Schauspielern ein gehöriges Maß an Können herauskitzeln. Übrigens auch aus seiner Tochter Patricia Hitchcock, die die jüngere Schwester von Anne Morton spielt. Die Figur der jungen Barbara soll schließlich Auslöser einer ganz starken Szene sein, wenn Antony auf einer Party ein "Experiment" an einer älteren Dame vorführt, sieht er Barbara und sieht in ihr die verstorbene Miriam, woraufhin er die Kontrolle über sich und das Bewusstsein verliert. Hitchcock zeigt nicht, wie Antony die alte Dame würgt, aber der Zuschauer weiß ganz genau, was passiert ist.

Die Würgeszene im Vergnügungspark ist ebenfalls ein wunderbares Beispiel für Hitchcocks filmisches Können. Erst verfolgt er Miriam und ihre Begleiter. Wir sehen Schattenspiele, denken "Nun ist's passiert", dabei lebt die kaltherzige Miriam noch. Wenn Antony sich Miriam dann auf einer Insel nähert und umbringt, ist die optische Umsetzung grandios.

Gen Ende gibt es ein Tennisspiel, das Haines möglichst schnell über die Bühne bringen muss, da Antony etwas Böses gegen ihn im Schilde führt. Haines will das verhindern, doch das Match zieht sich in die Länge. Obwohl wir kaum echte Ballwechsel sehen, ist diese Partie unglaublich spannend. Der Altmeister des Suspense schneidet immer wieder zu Antony, der seinen Plan ausführen will, dabei aber ein wichtiges Utensil verliert und nun an dieses wieder herankommen muss. Es geht ständig vom kämpfenden Haines hin zum ebenfalls kämpfenden Antony und man hängt im Zuschauersessel mit verkrampften Magen. Das nennen ich großes Kino!

Anschauen! Und für Literatur-Fanatiker: Das Ende des Filmes weicht wohl drastisch von dem im Buch ab. Ich kann damit leben. In Deutschland wurde der Streifen übrigens lange Zeit unter dem Titel Verschwörung im Nordexpress geführt.