Filmplakat Brügge sehen… und sterben?

8/10

"Wann war das genau, dass alle Skinheads plötzlich zu Schwuchteln wurden?" — Brügge sehen… und sterben?, 2008

Brügge sehen… und sterben?

Besprechung

Seinen ersten Job als Auftragskiller hat Ray (Colin Farrell) mächtig verbockt. Gut, den Pastor hat er umgebracht, aber außerdem hat er unglücklicherweise einen kleinen Jungen erschossen. Rays Mentor Ken (Brendan Gleeson) reißt ihn vom Tatort fort und flieht mit ihm nach Brügge. Wieso Brügge? Weil Rays und Kens Auftraggeber Harry (Ralph Fiennes) es so gesagt hat. Abtauchen lautet die Devise. Ken ist begeistert von Brügge, Ray bezeichnet die belgische Stadt als Scheißkaff.

Erst als Ken ihm ins Ohr legt, es könne sich ja durchaus um einen Job handeln und dass das der Grund für ihren Aufenthalt sei, wird Ray etwas versöhnlicher. Noch weniger nörglerisch wird Ray, als er die Dealerin und Diebin Chloe (Clémence Poésy) kennenlernt. Langsam findet auch Ray Gefallen an Brügge.

Doch Ken und Ray sollen nicht auf einen Auftrag warten – nur Ken. Sei Ziel: Ray. Weil Ray den Hit versaut hat, muss er weg. Noch ehe Ken Ray umnieten kann, rettet er seinem jungen Protegé das Leben, da sich Ray gerade selber umbringen wollte. Harry ist davon gar nicht begeistert.

Meinung von

Der englische Regisseur Martin McDonagh hatte gerade einmal einen Kurzfilm gemacht, bevor er grünes Licht für seine selber geschriebene Geschichte zu Brügge sehen… und sterben? bekam. Vielleicht hatte die Tatsache, dass sein Erstlingswerk einen Oscar als bester Kurzfilm erhielt, etwas damit zu tun. Muss so sein, denn Brügge sehen… und sterben? ist so schräg, dass eigentlich kein Filmstudio heutzutage dafür noch freiwillig Geld raushauen würde. Die haben ja alle keine Eier mehr in der Hose. Zum Glück gab’s Geld für die Idee von McDonagh.

Brügge sehen… und sterben? ist lustig und irgendwie deprimierend zugleich. Colin Farrell spielt den verzweifelten Ray wunderbar. Er steckt auf der einen Seite in dem Dilemma, dass er einen kleinen Jungen umgebracht hat. Das treibt ihn soweit, dass er suizidgefährdet wird. Auf der anderen Seite ist er wie ein kleines, bockiges Kind, wenn es um Brügge geht. Er will zurück nach England, doch das bleibt ihm wegen seiner Tat verwehrt. Brügge ist kacke, so Ray. Wenn Ken und Ray in der Heilig-Blut-Basilika sind und er die Füße schlurfend zu Ken rüberzottelt, dann ist er selber ein kleiner Junge.

McDonagh schafft es, zwei Auftragskiller, also per se böse Menschen, dennoch menschlich zu zeigen. Während Ray zwischen Verzweiflung und Abneigung hin- und hergerissen ist, ist Ken der Typ, der die alte Stadt Brügge einfach nur schön findet. Beide kümmern sich in gewisser Weise um die schwangere Hotelbesitzerin Marie (Thekla Reuten). Das macht die Killer zu Sympathieträgern.

Erst recht spät kommt Ralph Fiennes auf die Leinwand. Der sehr aggressive und überaus leicht zu reißende Harry ist klar der unsympathische Gegenpart zu Ken und Ray. Er flucht unentwegt und hat neben seiner Aggression dennoch einen hoch gesteckten, eigenen Moralkompass. Er liebt seine Kinder und hätte er einen Jungen aus Versehen erschossen, Harry hätte sich ohne zu zögern selber gerichtet. Weil man alles und jeden umbringen kann – nur keine Kinder.

Brügge, das war Regisseur McDonagh wichtig, sollte neben den drei Männern die vierte Hauptrolle in dem Streifen spielen. Ausgangsgedanke war in etwa "Wäre es nicht toll, Profikiller durch diese wunderschöne, verträume Stadt laufen zu lassen?" Genau das passiert am Ende auch. Und Brügge, das zeigt uns der Film, ist wirklich eine schnuckelige, schöne Stadt.

Alle Figuren sind gut gezeichnet und ebenso gespielt. Schaut man den Film im Original, hat man noch einmal etwas mehr Spaß, da alle drei Hauptpersonen sehr breite Dialekte sprechen. Vor allem Fiennes; der sonst so noble Brite, schnoddert irrsinnig breit vor sich hin, Farrell lässt seinen irischen Ursprung durchscheinen.

Ist die Geschichte um den suizidgefährtenen Mörder in Brügge schon skurril, legt McDonagh noch einen Film im Film oben drauf, in dem der "Zwerg" Jimmy (Jordan Prentice) mitspielt. Hier greift der Regisseur und Autor in die Trickkiste, um sich ein wenig über die Filmindustrie zu mokieren, aber vor allem, um dem ganzen Film noch etwas (alb-)traumhaftes zu verpassen. Am Ende stolpert Ray in eine Szene, die an ein Gemälde von Hieronymus Bosch erinnert.

Brügge sehen… und sterben? ist klar keine leichte Kost, aber erfrischend anders und neu. Die Geschichte setzt sich nicht aus diversen bereits gesehenen zusammen, sondern ist originell. Uns hat er Spaß gemacht.