Filmplakat Ausgerechnet Wolkenkratzer

8,5/10

"I'll be right back - soon as I ditch the cop." — Ausgerechnet Wolkenkratzer, 1923

Ausgerechnet Wolkenkratzer

Besprechung

Harold (Harold Lloyd) kommt vom Lande und will sein Glück in der großen Stadt versuchen. Seiner Verlobten Mildred (Mildred Davis) verspricht er, dass er sie holen kommt, wenn er den Durchbruch geschafft hat. Doch im Endeffekt ist er nur ein kleiner Angestellter in der Stoffabteilung eines Kaufhauses. Mit seinem kläglichen Lohn kauft er seiner Geliebten Dinge, die er ihr zuschickt. In seinen Briefen vertröstet er sie, dass er nur noch ein paar große Verkaufsabschlüsse tätigen müsse, dann könne sie kommen.

Doch Mildred kommt früher. Harold, gewitzter Bursche der er ist, findet jedoch spontan Ausreden, um ihr den großen Geschäftsmann vorzugaukeln. Lange kann er diese Fassade jedoch nicht aufrecht erhalten. Ein Plan muss her.

Zum Glück kann er den Geschäftsführer belauschen. Der ist verzweifelt, dass sein Kaufhaus nicht die Anziehungskraft hat, die es eigentlich bräuchte. Er würde 1000 Dollar für eine gute Idee geben, die sein Geschäft attraktiver machte. Harold denkt an seinen Zimmergenossen und besten Freund Limpy Bill (Bill Strother), der auf dem Bau arbeitet und mühelos an Hausfassaden hochklettern kann. Warum nicht ein zwölfgeschossiges Haus?

Bill willigt ein, doch wird er verhindert, so dass Harold selber das Hochhaus erklimmen muss. Ein sehr, sehr gefährliches Unterfangen …

Meinung von

Jeder kennt das Bild von Harold Lloyd, wie er an einer riesigen Uhr hängt, hoch über den Dächern einer Stadt. Lloyd, der zunächst auf den Spuren von Charlie Chaplin wandelte und erst später seinen eigenen Stil fand, hat sich mit diesem Film ins Gedächtnis der Filmgemeinschaft eingebrannt. Der Mann mit dem Strohhut und der runden, schwarzen Brille spielt - wie in vielen seiner späteren Filme - einen einfachen Durchschnittstypen, der es zu etwas bringen möchte. Seine Gewitztheit verschafft ihm dann nach vielem Hin und Her den gewünschten Erfolg.

Stummfilme sind heutzutage in Vergessenheit geraten. Auch The Artist konnte daran nicht viel ändern. Dennoch sollte man den einen oder anderen Stummfilm durchaus kennen. Ausgerechnet Wolkenkratzer, oder Safety Last!, wie er im Original heißt, ist einer der Filme, die man mal gesehen haben sollte. Sind auch nur knapp 70 Minuten. Aber es sind 70 Minuten, die wirklich lustig sind.

Oft denkt man bei Stummfilmen an zu schnell gedrehte Bewegungen und Slapstick. Alles ist übertrieben und hektisch. Das ist bei Ausgerechnet Wolkenkratzer nicht der Fall. Es ist eine charmante Geschichte, die gut erzählt ist. Ich habe mich dabei ertappt, oftmals herzlich zu lachen. Die Witze funktionieren also nach über 90 Jahren immer noch.

Harold Lloyd ist bekannt für diese Art der Filme: Ein Underdog gelangt nach oben, sein Charakter ist herzensgut und sympathisch. Lloyd schuf nebenbei ein neues Genre. Seine Filme waren gespickt mit waghalsigen Stunts, so dass man bei seinen Filmen von Thrill Comedy spricht. Tatsächlich ist die Kletterei am Hochhaus spannend gemacht. Knapp 18 Minuten kraxelt Harold die Außenfassade des Hochhauses hoch. Dabei stellen sich ihm immer neue Hindernisse in den Weg - darunter auch die berühmte Uhr. Die Stunts sehen unglaublich aus, sind es auch. Es wäre nicht die Traumfabrik, wenn hier nicht geschummelt werden würde. Aber die Art und Weise ist echt genial. Zudem muss man Hochachtung vor Lloyd haben, der einige Jahre vor Ausgerechnet Wolkenkratzer bei den Aufnahmen zu einem Werbespot seine halbe rechte Hand verlor. Wenn Lloyd also die Fassade (auch wenn sie nicht wirklich hoch war) hochklettert, dann macht er das mehr oder weniger einhändig. Alle Achtung!

Ausgerechnet Wolkenkratzer ist ein lustiger Film mit atemberaubenden Stunts (auch heute noch), eingepackt in eine gute Geschichte, ohne Längen. Was will man mehr von einem Film?

Was nicht gefiel, war die Darstellung der Leihhaus-Angestellten. Harold sieht eine Kette, die er für seine Mildred kaufen möchte. Hinter dem Tresen der Pfandleihe stehen dann zwei Herren, die vermutlich dem damals vorherrschenden Stereotyp eines Judens entsprechen. Der eine hat eine Hakennase, der andere schlechte Zähne und reibt sich ständig ob des hohen Preises und des bevorstehenden Geschäfts die Hände. Aus heutiger Sicht - aber auch damals schon - absolut nicht politisch korrekt.