Filmplakat Hallo, Mr. President

8/10

"Mehr Enthauptungen im Weißen Haus!" — Hallo, Mr. President, 1995

Hallo, Mr. President

Besprechung

Der verwitwete US-Präsident Andrew Shepherd (Michael Douglas) hat beste Umfragewerte und das vorm Wahljahr. Sein Stabschef A.J. MacInerney (Martin Sheen) unterstützt ihn genau so wie sein Redenschreiber Lewis Rothschild (Michael J. Fox). Lewis bekommt aber auch schon mal von Zeit zu Zeit einen kleinen Herzinfarkt, lässt sein Chef doch Teile von so schönen Reden aus. Shepherd ist ein Gesetz zur Waffenregulierung wichtig. Gleichzeitig kommt die GDC, die Global Defense Council, auf Shepherd zu, weil sie ein Gesetz durchbringen wollen, das die Emission von fossilen Brennstoffen um 20% reduzieren will. Der Präsident brauchte die Unterstützung des GDC beim ersten Mal, jetzt ist sie nicht nötig, wäre aber nett zu haben.

Die GDC holt sich die Anwältin und Politstrategin Sydney Ellen Wade (Annette Bening) ins Boot. Die soll die 20% durchbringen, obwohl Shepherd und Co. für 10% ihre Zusage geben. Sydney geht voller Elan ins Rennen. Das erste Treffen mit dem Präsidenten der Vereinigten Staaten verbockt sie jedoch mächtig. Der findet diese engagierte Frau aber anziehend. Er lädt sie zu einem Staatsdiner ein. Damit ist Sydney im Fokus der Presse.

Shepherd möchte eine strickte Trennung von Regierungsarbeit und privatem Leben. Das ist aber nur schwer zu vereinbaren, wenn man der „Anführer der freien Welt“ ist. Der republikanische Senator und Präsidentenkandidat Bob Rumson (Richard Dreyfuss) wittert seine Chance. Als Shepherd noch frischer Witwer war, konnte Rumson nicht gegen Shepherd angehen. Doch nun haben sich die Karten gewendet und der Präsident bietet ihm mit der Affäre eine erstklassige Angriffsfläche. Obwohl sein Stab ihm dazu rät, weigert sich Shepherd, auf die Schmutzschlacht von Rumson einzugehen.

Meinung von

Hallo, Mr. President ist ein, wie ich finde, völlig unterschätzter Film. Er ist wahnsinnig lustig, warm, hat sympathische Charaktere, einen fiesen Gegenspieler und eine tolle Geschichte. Wir haben nicht nur eine frische Liebeskomödie vorliegen. Rob Reiner und Autor Aaron Sorkin hatten bereits drei Jahre zuvor mit Eine Frage der Ehre eine intelligente Geschichte abgeliefert gehabt. Nun holte sich Harry und Sally-Regisseur Reiner Aaron eben für eine Komödie ins Team.

Zwei Jahre vor Halle, Mr. President kam mit Dave schon einmal eine Komödie um den US-Präsidenten in die Kinos. Während wir dort eine echte First Lady und einen falschen Präsidenten haben, konzentriert sich Reiner in seinem Film ausschließlich auf den mächtigsten Mann der Welt. Er hat Macht, er ist aber auch ein Mensch. Reiner hatte die Chance, Clinton während seiner Amtszeit im Weißen Haus zu begleiten. So konnte er sich ein Bild von dem Job eines Präsidenten machen – also wie der gemacht werden sollte, nicht so wie ihn Trump macht ... Die Eindrücke hat Reiner in seine Geschichte einfließen lassen.

Was wir sehen ist ein Mann, der von vielen Menschen beraten wird, der von einer Sitzung zur nächsten jagt, der sich Termine machen lassen muss, damit er seine Tochter Lucy (Shawna Waldron) sehen kann. Andrew Shepherd ist aber auch ein Mann, der einsam ist und die Gesellschaft einer Frau sucht. Nicht für eine Nacht. Sydney ist intelligent, spitzzüngig, elegant. Da kommen echte Gefühle auf. Aber darf er als Präsident, vor allem vor der Wahl, eine Affäre anfangen? Ihm ist das scheiß-egal. Er macht es. Er findet Sydney anziehend und faszinierend. Und den Rest der Welt hat es doch nichts anzugehen, was er für ein Liebesleben hat. Falsch gedacht, Mr. President!

Hallo, Mr. President hat einen wunderbaren Humor und ich habe Tränen gelacht. Er ist nicht zotig oder flach, sondern intelligent. Er zeigt außerdem, was es heißt, diesen stressigen Job auszuführen. Als die Umfragewerte von Shepherd langsam in den Keller gehen, fordert Lewis ihn auf, einen Deal einzugehen, damit das umstrittene Waffengesetz durchkommen kann. Shepherd will nicht, weil das bedeuten würde, dem Emissionsgesetz von Sydney in den Rücken zu fallen. Da platzt Lewis der Kragen und er sagt diese wichtigen Zeilen: Die Menschen wollen geführt werden, Mr. President. Und wenn es keine echte Führung gibt, dann hören sie auf jeden, der auf einem Podium vors Mikrofon geht. Sie wollen Führung! Sie dürsten so sehr danach, in der Wüste würden sie auf eine Fata Morgana zukriechen und wenn sie merken, dass es kein Wasser ist, den Sand trinken.

Shepherd will sich nicht auf das Schlammschlacht-Niveau von Rumson einlassen, doch am Ende gibt er eine wunderbare, großartige Rede vor der Presse. Die sollten sich alle Menschen – vor allem vor Wahlen – noch einmal anhören! Darin geht es unter anderem darum, dass die Menschen durch Menschen wie Rumson durch Angst geführt werden. Besser: Verführt. Es werden falsche Feindbilder aufgebaut, um die eigenen Fehler oder Missstände zu erklären. Kommt bekannt vor? Das ist die Trump-Methode.

Also, wer sich köstlich amüsieren und das Zwerchfell mal wieder gründlich durchgeknetet bekommen möchte, der muss unbedingt Hallo, Mr. President sehen. Der Film hat aber noch viel mehr zu bieten.