Filmplakat Mord im Orient-Express

7/10

"Warum müssen die Engländer immer ihre natürlichen Gefühle vor der Welt verbergen?" — Mord im Orient-Express, 1974

Mord im Orient-Express

Besprechung

Mitte der 1930er macht sich der weltbekannte Detektiv Hercule Poirot (Albert Finney) nach erfolgreicher Beendigung eines Falles in Istanbul auf den Weg zurück nach Hause. Dazu besteigt er den berühmten Orient-Express. Obwohl es November ist, ist der luxuriöse Zug ausgebucht. Poirot bekommt nur durch die Hilfe des Express-Chefs und persönlichen Freundes Mr. Bianchi (Martin Balsam) einen Platz.

An Bord sind noch so illustre Gäste wie das Diplomatenpaar Graf (Michael York) und Gräfin Andrenyi (Jacqueline Bisset), die verhuschte Missionarin Greta Olson (Ingrid Bergman), die Prinzessin Dragomiroff (Wendy Hiller) und ihre Zofe Hildegarde (Rachel Roberts). Zudem finden sich noch der britische Oberst Arbuthnot (Sean Connery) und die Sekretärin Mary Debenham (Vanessa Redgrave) an Bord, die beide ein dunkles Geheimnis verbindet. Schließlich ist da noch die nervige Mrs. Hubbard (Lauren Bacall), die nicht aufhören will, jedem, der es nicht hören will, etwas von ihren gescheiterten Ehen zu erzählen.

Gleich am ersten Abend wird Poirot vom reichen Ratchett (Richard Widmark), der mit seinem Diener Beddoes (John Gielgud) sowie seinem Sekretär McQueen (Anthony Perkins) reist, gebeten, einen Job anzunehmen. Ratchett erzählt dem belgischen Detektiv, dass er seit einiger Zeit Drohbriefe erhalte. Poirot ist nicht interessiert.

Am nächsten Tag, der Zug steckt in Jugoslawien in einer Schneewehe fest, ist Ratchett tot. Bianchi bittet den angesehenen Detektiv darum, den Fall aufzuklären, bevor der Zug wieder frei kommt und die Polizei den Tod des Mr. Ratchett untersucht. Poirot macht sich daran, alle Zuginsassen zu befragen.

Meinung von

Was für eine Starbesetzung! Das war mein erster Gedanke. Ich glaubte, den Film irgendwann mal gesehen zu haben, aber da habe ich ihn wohl mit einem anderen Streifen verwechselt, der in einem Zug spielt.

Der Großteil der Schauspieler hat sehr ausgeprägte, exzentrische Charaktere, die gut dargestellt werden. Albert Finney, den ich eher im fortgeschrittenen Alter in Filmen gesehen habe (Big Fish, Das Bourne Ultimatum, Skyfall) spielt den Hals-steifen Detektiv sehr schön. Ich mag zwar Peter Ustinov lieber als Poirot, aber Finney macht seinen Job dennoch gut.

Ingrid Bergman, die kühle Schwedin aus z.B. Ich kämpfe um Dich oder Casablanca, spielt hier tatsächlich eine Schwedin. Im Original spricht sie mit entsprechendem Akzent. Ihr Charakter ist schüchtern, scheu und unsicher. Ingrid Bergman gewann für ihre Darstellung den Oscar als Beste Nebendarstellerin, es sollte ihr dritter und letzter Oscar sein.

Ganz anders kommt Lauren Bacalls Figur daher, die dominant, herrisch und wie gefordert nervig spielt. Anthony Perkins spielt wieder einmal den Schüchternen, der von Anfang an unter Generalverdacht steht.

Apropos Verdacht: Wenn Poirot die Befragungen der Passagiere beginnt, hat er neben Bianchi noch einen Arzt (George Coulouris) auf seiner Seite. Die beiden sagen eigentlich nach jeder Befragung Der war's!, was ein netter Running Gag ist.

Die Auflösung dieses Agatha Christie-Romans kam für mich doch sehr überraschend. Von daher war es eine gute Unterhaltung.

Dennoch gibt es ein oder zwei Kritikpunkte an der Machart des Films. Regisseur Sidney Lumet, der mit Die zwölf Geschworenen oder auch dem medienkritischen Network großartige Filme ablieferte, lässt sich bei Mord im Orient-Express gerade am Anfang viel zu viel Zeit, bevor er in die Handlung eintaucht. Zwar ist die Vorgeschichte mit dem entführten Mädchen wichtig für die Story, aber das hätte er gerne kürzer halten können. Ebenso die Vorstellung der einzelnen Protagonisten – bis der namengebende Zug losfährt, vergehen locker zwanzig Minuten. Aber vielleicht bin ich auch mittlerweile durch schnelle Filme versaut worden und kann den langsamen Handlungsaufbau nicht mehr so richtig genießen.

Auch fand ich es seltsam, dass die Beteiligten, die offensichtlich von der Anwesenheit des Poirot überrascht waren, auf einmal so viel Ablenkung haben schaffen können. Hätte unter den Umständen eigentlich nicht sein müssen.

Ein Klassiker der Literatur und dank Starbesetzung auch ein Klassiker der Filmkunst. Sollte man gesehen haben.